Ein sonniger Tag. Klare Luft als eisige Kälte vor meinem Gesicht. Nebel vor dem Mund, wenn ich ausatme. Ich sehe meine Luft, spiele mit ihr. Eine Selbstverständlichkeit. Ein Spaziergang im Winter. Ausgelassenheit an einem kleinen See irgendwo im Wald. Die Eisfläche lockt. Unberührte Glattheit. Der Spagat im Kopf. Hält das Eis? Ich schaue mich um. Werde ich beobachtet? Die Dummheit ist Freund der Heimlichkeit.
Der erste angstvolle Schritt. Kein Knirschen, es hält. Gefühlte Sicherheit nimmt zu, verdrängt die Angst. Dann der nächste Schritt. Mut und Entfernung zum Ufer steigen an. Schlindern, rutschen, lachen, drehen. Ausgelassenheit auf offener Fläche.
Die Seemitte ist nah. Ein wenig Angst ist vorhanden, nur wenig. Ich bin alleine, genieße die Freiheit. Stehenbleiben, umschauen, schauen nach vorne. Leise knirscht das Eis. Sorgen fluten das Gehirn. Festhalten, woran? Das Knirschen wird lauter, das Eis bekommt Risse, bricht.
Wie in Zeitlupe verliere ich den Halt, der Boden sackt ins Wasser. Ich versinke. Eiskaltes Wasser überströmt meine Schuhe, fasst meine Beine und zieht mich herunter. Der Schrei in meiner Kehle, längst vorbereitet, wird zugedeckt mit Eiswasser.
Ich schließe die Augen, will sie schützen vor den Fluten, während ich sinke. Das Eis als Horizont auf Augenhöhe ist schon passiert. Ich blicke von unten gegen das Eis und bin fasziniert von Strukturen und Farben.
Es wird dunkler, grünblaues Licht dominiert, Farben weichen dem Schwarzweiß. Aus Konturen werden Schemen. Pixelige Bilder überwiegen.
Die Faszination für meine Umgebung weicht der Erkenntnis, dass ich hier falsch bin. Meine Muskeln werden steif, das Eiswasser zieht die Handbremse jeder einzelnen Faser. Ich schaue nach oben. Dort ist die Bruchstelle, mein Eintrittstor und mein Ausgang. Dort wird es weiter gehen, hier ist nur die Sackgasse.
Selten wird mir so deutlich, dass Leben in wenigen Metern Entfernung weitergeht, während es am aktuellen Ort in wenigen Minuten enden wird. Es ist fast greifbar.
Ich kämpfe, gegen die Kälte, gegen die Atemnot, die meine Lunge zerreißen will. Wenige Muskeln reagieren noch, ich steige auf, erreiche die Bruchstelle im Eis, durchstoße mit meinem Kopf die Wasseroberfläche und sauge die Luft ein. Atme, kalte, frische, unverbrauchte Luft, die meine Lungenflügel flutet. Ich spüre seine Kälte. Meine Hände und Arme liegen auf dem Eis. Mir fehlt der Griff, das Geländer, sie rutschen ab. Ich strample so gut es geht, um mich aus dem Wasser herauszuschieben. Ich müsste mich ziehen können. Nur wo?
Ich gleite wieder ins Wasser, fülle noch schnell meine Lunge mit kalter Luft. Das Wasser spüre ich nicht, die Haut schon taub. Mit gefüllter Lunge schließt sich über mir die Wasserfläche. Runde Wellen stranden an der Eiskante. Die Farben hier, wie eben, vertraut. Meine Muskeln unbeweglich, ausgekühlt, Ballast, den ich nicht nutzen kann.
Eine Bewegung wird unmöglich, ich spüre, wie die Luft in den Lungen unbrauchbar wird. Mein Körper hat den Sauerstoff rausgezogen, wartet auf einen Austausch, der aber fehlt.
Ich bin im Zeitlupenfall. Der Ausgang entfernt sich, so wie der Sauerstoff in meinen Lungen. Ich blicke nach oben. Ausatmen ohne Einatmen. Das Licht wird schwächer, Panik steigt auf, ohne Auswirkungen auf die Situation. Keine Luft, keine Kraft, mein Auge bricht, Wasser füllt meine Lungen. Es wird schwarz.
Das Wasser in der Bruchstelle im Eis beruhigt sich, wird von mir nicht weiter gestört. Die Kälte lässt es wieder erstarren. Übrig bleibt eine kleine Vertiefung. Der See hat sich seine Stille zurückgeholt, hat den Störenfried in sich begraben. Ich bin zu weit gegangen.
Den ganzen Vormittag war der Himmel blau, vereinzelt ein paar dünne Wolken, die ein wenig Maserung in die Atmosphäre malten. Dann zogen immer mehr Nebelfelder auf, verdichteten sich, wurden grauer, sanken herab. Machten alles schwerer. Die Meisen an meinem Futterhaus vor meinem Bürofenster hatten mit zunehmender Grauheit, ihre Aktivitäten zunehmend eingestellt. Vielleicht haben sie den Regen gespürt und sich vorher sattgegessen. Jetzt sitzen sie irgendwo und verdauen mit unter dem Flügel eingezogenen Kopf. Der Tag hat für sie bereits ein Aktivitätsende erreicht. Mal schauen, ob sie morgen wieder kommen.
Aus hellgrau wird grau, dann dunkelgrau. Regen setzt ein. Die Sicht in die platte, nordische Landschaft wird reduziert durch Wasserbänder die Himmel und Erdboden miteinander verbinden. In der Ferne sehen die Wasserbänder wie Nebelwände aus. Die Geräusche der Tiere sind verschwunden, werden ersetzt durch das Trommeln und Rauschen der Wassertropfen auf den letzten Blättern der Bäume.
Die Wiesen saugen sich mit dem herabfallenden Wasser auf. Überschüssiges versammelt sich in Pfützen und kleinen Seen an ihren Oberflächen und wartet darauf, dass die Tropfen unter der Erdoberfläche abfließen, damit sie hinterhergehen können. Gänse versammeln sich an den Seen auf den Feldern. Temporäre Bilder in der Landschaft. Übermorgen sind die Wasserlachen weg und mit ihnen auch die Gänse.
Wind kommt auf und treibt die Regenfäden mal hierhin, mal dorthin.
Ich drehe am Thermostat in meinem Büro, koche mir einen Kaffee, schalte meine Tiffanylampe mit den bunten Glassteinen an und bin froh heute nicht mehr raus zu müssen. Dort ist es grau, im Schreibzimmer dagegen bunt.
Den ganzen Vormittag war der Himmel blau, vereinzelt ein paar dünne Wolken, die ein wenig Maserung in die Atmosphäre malten. Dann zogen immer mehr Nebelfelder auf, verdichteten sich, wurden grauer, sanken herab. Machten alles schwerer. Die Meisen an meinem Futterhaus vor meinem Bürofenster hatten mit zunehmender Grauheit, ihre Aktivitäten zunehmend eingestellt. Vielleicht haben sie den Regen gespürt und sich vorher sattgegessen. Jetzt sitzen sie irgendwo und verdauen mit unter dem Flügel eingezogenen Kopf. Der Tag hat für sie bereits ein Aktivitätsende erreicht. Mal schauen, ob sie morgen wieder kommen.
Aus hellgrau wird grau, dann dunkelgrau. Regen setzt ein. Die Sicht in die platte, nordische Landschaft wird reduziert durch Wasserbänder die Himmel und Erdboden miteinander verbinden. In der Ferne sehen die Wasserbänder wie Nebelwände aus. Die Geräusche der Tiere sind verschwunden, werden ersetzt durch das Trommeln und Rauschen der Wassertropfen auf den letzten Blättern der Bäume.
Die Wiesen saugen sich mit dem herabfallenden Wasser auf. Überschüssiges versammelt sich in Pfützen und kleinen Seen an ihren Oberflächen und wartet darauf, dass die Tropfen unter der Erdoberfläche abfließen, damit sie hinterhergehen können. Gänse versammeln sich an den Seen auf den Feldern. Temporäre Bilder in der Landschaft. Übermorgen sind die Wasserlachen weg und mit ihnen auch die Gänse.
Wind kommt auf und treibt die Regenfäden mal hierhin, mal dorthin.
Ich drehe am Thermostat in meinem Büro, koche mir einen Kaffee, schalte meine Tiffanylampe mit den bunten Glassteinen an und bin froh heute nicht mehr raus zu müssen. Dort ist es grau, im Schreibzimmer dagegen bunt.
Das Engagement in einem gemeinnützigen Verein ist Ausdruck eines inneren Antriebes. Nach Wikipedia (20.04.2023) lautet die Definition von Ehrenamt: "Ein Ehrenamt ist die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes oder einer gesellschaftlichen Aufgabe im Gemeinwohlinteresse ohne Einkunftserzielung, [...]. Die Übernahme eines Ehrenamts ist in der Regel freiwillig." Ein unfreiwilliges Ehrenamt ist beispielsweise die Bestellung zum Wahlhelfer.
Deutlich ist dies im Naturschutz zu spüren. Menschen verbringen endlose Stunden ihrer Freizeit in der Natur, um Tiere und Pflanzen vor dem Aussterben zu schützen. Eine per se identitätsstiftende Tätigkeit, so definiert sich das Ehrenamt, wird aber häufig zu einer zwingenden Notwendigkeit.
"Mache ich nichts, werden die Tiere und Pflanzen aussterben. Ich muss es also tun, denn der Nachbarn tut nichts. Es macht ja sonst keiner."
Die Aufgabe des eigentlichen Ehrenamtes wird auf eine höhere Ebene gehoben.
Auch findet eine Abgrenzung innerhalb der ehrenamtlichen Community statt, da ein Gesangsverein nicht denselben Stellenwert hat.
Nun ist es nicht verkehrt, wenn ein Mensch mit seinem Ehrenamt eine hohe Identifikation verbindet. Realistisch müssen wir auch sagen, dass es auch Unterschiede innerhalb des Ehrenamtes gibt. Häufig wird über viele Jahre hinweg eine fachliche Kompetenz erworben, die den sogenannten Profi, also die Person, die für eine ähnliche Aufgabe bezahlt wird, übertrifft. All dies will und darf gar nicht in Abrede gestellt werden.
Das Problem beginnt dann, wenn mit der Aufgabe Emotionen verbunden werden. -> Jetzt wird es richtig schwierig, da das Ehrenamt im überwiegenden Teil eine emotionale Angelegenheit ist. Es geht um Selbstverwirklichung. Damit ist der Aufbau eines sachlichen Abstandes problematisch.
Aus meiner persönlichen Sicht muss in der aktuellen Zeit ein neuer Weg, der mit einem zukunftszugewandten Umdenken verbunden ist, beginnen. Ein Umdenken ist schwierig, wenn der bisher begangene Weg eine lange und zumeist erfolgreiche Tradition beinhaltet, wie es im Fall des Naturschutzes der Fall ist. Hätten wir den ehrenamtlichen Naturschutz nicht, wäre vieles erheblich schlechter.
Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte erfolgte vom ausschließlichen Ehrenamt über Mischstrukturen, in denen Ehrenamt und finanzierte Stellen parallel existierten, hin zu häufig vollfinanzierten Strukturen in der heutigen Zeit, beispielsweise die zahlreich entstehenden Landschaftspflegeverbände.
Dabei entsteht auf Seiten des Ehrenamtes ein großer Frust.
„Subjektiv wird mir, dem engagierten Vereinsmitglied, eine Struktur vorgesetzt, die es anscheinend besser kann. Damit verliere ich meine bisherige Anerkennung, wenn ich nicht sogar überflüssig werde.“
Woher kommt diese Annahme?
Die neuen Strukturen haben die Möglichkeiten signifikant mehr Zeit im Vergleich zum Ehrenamt zu investieren und sind losgelöst von der Intention der persönlichen Verwirklichung. Sie können sich hauptamtlich um eine vormals ehrenamtliche, meist freizeitgebundene Aufgabe kümmern und sind in der Lage schneller Projekte umzusetzen.
Ein zusätzlicher Frust entsteht dort, wo es um das liebe Geld geht. Vereine kämpfen um jeden Cent, sind auf Sponsoren angewiesen, betteln um Mitgliedschaften, müssen jeden Euro umdrehen, bevor sie ihn einsetzen können. Auch das muss in der Freizeit geschehen, was mich als Ehrenämtler von meinem eigentlichen Wunsch, dem Schutz der Natur, abhält, aber eine Notwendigkeit für den Verein darstellt, die ich wohl oder übel auch noch machen muss. Neue Strukturen hingegen werden von der öffentlichen Hand gefördert. Scheinbar gibt es hier große finanzielle Möglichkeiten, die wesentlich leichter zu bekommen sind. Auf die ich im Verein aber nur sehr begrenzt Zugriff habe. Gefühlt werde ich absichtlich finanziell knappgehalten.
Um es vereinfacht zu sagen:
"Da dringen fremde Leute in meinen Bereich ein. Sie drängen sich in mein Arbeitsfeld, für das ich viele Jahre in meiner Freizeit gekämpft habe. Ich wollte etwas bewegen für uns alle und jetzt kommen andere und ihnen wird das Geld "nachgeworfen".
Und ich, der sich seit Jahren die Finger wundtippt, der gegen Strukturen ankämpft, wird einfach übergangen."
Ist das so?
Nein!
Zum einen sind die sogenannten Leute in aller Regel hervorragend ausgebildete Personen, die seit Jahren in anderen Bereichen des Naturschutzes viele Erfahrungen gesammelt haben und die, gerade im Sektor Naturschutz, natürlich auch die Vereinsarbeiten kennen. Zum anderen liegt hier eine riesige Chance für die etablierten Vereine, die offensichtlich nicht gesehen wird:
Als Ehrenämtler muss ich mich, aufgrund des zeitlichen Zwanges, den ich habe, auf Kernbereiche konzentrieren. Ich muss da tätig werden, wo die Wahrscheinlichkeit möglichst hoch ist, Erfolg zu haben. Effektivität ist der Kampfbegriff. Dies führt dazu, dass ich in den allermeisten Fällen den Status quo in einem Projekt erhalten will. Ein Mehr ist aufgrund der personellen, zeitlichen und finanziellen Ressource meist nicht möglich.
Nehmen wir als Beispiel die Landschaftspflegeverbände (LPV) des Landes Hessens. Sie wurden, nach einer schwierigen Startphase, in den vergangenen Jahren rasant und in großer Zahl gegründet.
Jetzt wechseln wir noch mal die Sichtweise auf den gemeinnützigen Verein: Als Mitglied des Vereines stehen mir mit den vollfinanzierten Strukturen hauptamtliche Kollegen zur Seite, die für das Gleiche kämpfen. Ihnen kann ich meine Erfahrungen weitergeben. Ich kann aus Sicht des Vereins dieses Potential nutzen, um meine Ziele, die nicht mein Privateigentum sind, mit einer höheren Chance zu realisieren.
Der Schritt im Kopf ist ein Schwieriger. Meine Ziele sind meine Kompetenz, die ich mir in vielen Jahren mühsam erarbeitet habe, mein Baby. In positiver Betrachtungsweise gebe ich meine Erfahrungen weiter, damit andere, diese zum Erfolg bringen können. In negativer Sichtweise werden sich andere mit meinen Errungenschaften schmücken und ich verliere vielleicht meine bisherige Position im Gesamtgefüge der Naturschutzcommunity.
Das ist die notwendige Transformation, die ansteht. Gleichzeitig ist es ein schmerzhafter Prozess des Loslassens.
Die Lösung liegt in der Mitte: Die finanzierte Struktur setzt die Kompetenzen des Ehrenamtes um, bleibt aber weitgehend Dienstleister. Das Ehrenamt bekommt die Zeit sich um die grundsätzlichen Fragestellungen zu kümmern und wird befreit von den zeitaufwändigen Kleinaufgaben, die behindern und es unmöglich werden lassen, das Große und Ganze im Blick zu haben. Die Rolle des Vereins wird sich ein Stück weit verändern. Gleichzeitig ist die finanzierte Struktur aber auch nicht der extern finanzierte Angestellte des Vereins, da dort ebenso Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen vorhanden sind. Letztlich bietet die vollfinanzierte Struktur einen Mehrwert.
Naturschutz ist keine Privatsache auch nicht hinsichtlich eines etablierten Vereines. Wir leben in einer Zeit, in der es weitreichende Umbrüche gibt. Die aktuelle Situation ist ein Aufbruch, keine Frage, sie ist schmerzhaft, aber Naturschutz geht nur nach vorne. Erfolge in der Vergangenheit sind schön in der persönlichen Rückschau und sollten anerkannt werden. In der Zukunft haben sie keinen Wert.
Wenn das Mitglied eines gemeinnützigen Vereins es schafft, seine fachliche Expertise emotionslos zu betrachten und sie in die neuen Möglichkeiten einbringt, gewinnen wir alle und auch der Verein behält seine Position als Ort der fachlichen Orientierung.
Sand, kleine weiße Steine, die Landschaft bretteben. Die Luft vibriert, stärker je weiter ich schaue. Es ist totenstill. Hin und wieder ein leichtes Rauschen des Windes. Kein Vogel, kein Insekt, eine Spinne verschwindet in ihrer Bodenröhre. Der Horizont ist verschwommen. Die Strukturen wackeln. Wasser auf der Landschaft, die Fata Morgana täuscht Bestandteile vor, die es nicht gibt, zumindest nicht hier. Es ist heiß, die Sonne brennt, kein Schatten. Soweit das Auge reicht, kein Baum, kein Strauch. Der nächste menschliche Ort ist 50 km entfernt. Dazwischen nichts, nur Ebene. Die Siedlung liegt hinter dem Horizont. Ich schaue über sie hinweg. Die Erde ist gekrümmt.
Wir fahren in einer weißen Landschaft in einem weißen Auto auf einer staubigen Piste. Asphalt macht keinen Sinn, es wäre eine Fahrt durch Honig, die Straße würde davonfließen.
Dann in einem Nichts eine Tankstelle, eine Säule hellblau rostig, abgeschmirgelt vom Sand. Kein Mensch zu sehen, nur diese Störung in der Landschaft. Ein Halt ist geboten. Wann die nächste Tankstelle kommt, ist nicht klar und wenn tatsächlich eine auftaucht, wissen wir nicht, ob es dort den benötigten Treibstoff gibt. Der Stopp überlebenswichtig. Unser Tank ist halbvoll, wir füllen ihn komplett auf. Beim Öffnen zischt es, das Benzin verdampft aus dem Tank, jedes Mal, wenn wir irgendwo halten und der heiße Boden, den Tank mit seinem Inhalt aufheizt.
Der Tankwart sitzt im Haus, nimmt unsere Zahlung entgegen, wünscht uns gute Weiterfahrt, lächelt und widmet sich wieder seinen Fußnägeln. Wir steigen ins Auto, biegen auf die Piste ein. Hinter uns verschwindet die Tankstelle. Die Erde ist gekrümmt. Vor uns nichts, weiß, gleißend hell, Sand, kleine weiße Steine, die Landschaft bretteben. Es ist still im Auto.
wenn es regnet
sich seine gänge mit wasser füllen
er um luft ringt
und nach oben kommt
jetzt ist er dem licht ausgesetzt
das ihn verbrennt
ihn austrocknet
ohne schutz
er hat kein fell
kein schneckenhaus
kein gespinst
kein versteck
und dann kommt die amsel
schnappt zu
ohne gedanken
und schluckt
was denkt er
wenn es dann dunkel wird
alles feucht ist
die luft stickig
und sich dann seine haut
auflöst
er verdaut wird
wann denkt er nicht mehr?
wann wird alles schwarz?
du wirst geboren
die uhr beginnt zu ticken
gleichmäßig ohne hast
tick tick tick
du wirst älter
wächst heran
die uhr tickt
und
immer
wenn es tickt
ist wieder
zeit vergangen
vorbei
vergangen
nicht
rückholbar
und irgendwann
wenn du alt bist
fällt dir
ihr ticken auf
ihre gleichmäßigkeit
bis du stirbst
und sie
weitertickt
gleichmäßig
und ohne hast
ohne blick
zurück
tische
stühle
kopfsteinpflaster
beschattet von der markise
menschen
da und dort
stehend
sitzend
cafe, espresso, kuchen, wasser
unterhaltung
vorübergehende beobachtungen
eine taube fliegt vorbei
ein roller startet
ein spatz pickt
ein gast zahlt
eine begrüßung
eine umarmung
der kellner räumt ab
bringt den cafe
seine schürze nicht mehr weiß
am gürtel die kette
eine bestellung hier
eine zeitung dort auf dem tisch
noch eine zigarette
ein glas sekt
die tasse leer
der kuchen verspeist
der abschied naht
die sonne scheint
The Forest
tannenschonung
mooskissen
einzelne kräuter
stille, dunkelheit
tau auf den pflanzen
ein käfer läuft vorbei
eine amsel ruft
modrige luft
ein frauenschuh
verloren
ein kleid
zerissen
stille
eine meise ruft
der käfer läuft weiter
ein tropfen fällt
Worte finden
Worte sprechen an
Worte treiben
Worte schreiben
aber nur
wenn der Gegenüber sie versteht
wenn der Gegenüber ähnlich fühlt
wenn der Gegenüber inspiriert
Der Schutz der Natur mit ihren Arten ist wesentlicher Bestandteil unseres heutigen Handelns in der Politik, in der Gesellschaft, im privaten Umfeld. Klimawandel, Verschmutzung der Umwelt, das Artensterben sind in aller Munde. Die einen machen es radikal öffentlich, indem sie klebend Straßen blockieren, oder sich von Brücken abseilen, andere machen es im Stillen in ihren Gärten hinter dem Haus oder hängen heimlich Nistkästen in den Wald. Wie auch immer, wir versuchen die Tiere und Pflanzen zu schützen, die wir an unseren Orten kennen. Der Grundgedanke ist ähnlich, der Weg dorthin unterschiedlich.
Und warum tun wir das?
Weil wir „unsere liebgewonnenen Arten“ auch im kommenden Jahr wieder sehen wollen. Weil es uns freut, wenn wir es schaffen, Verhältnisse gegen alle Widernisse zu erhalten oder gar zu verbessern. Weil es uns gut gehen soll, also darf es um uns herum nicht schlechter werden. Geht es unseren Arten schlechter, bin ich persönlich betroffen.
Der stille, selbstlose Naturschutz in seiner Heimlichkeit ist dabei die nicht kontrollierbare Guerilla-Taktik. Nicht steuerbar, nicht auffällig. Sie wird um seiner Selbstwillen praktiziert. Davon reden mag keiner. Damit entfallen die Kontrolle und die Korrektur. Der Erfolg ist genauso vorhanden wie das Scheitern. Beklatscht wird allerdings auch nichts.
Daneben steht der offizielle Naturschutz. Getragen von Verbänden, Behörden, Institutionen, Menschen im Rampenlicht. Hier findet die Diskussion, der Disput oder der fachliche Austausch statt. Mal konstruktiv und zielorientiert, mal kontrovers und blockierend. Hier steht der Faktor Mensch im Zentrum, nicht mehr das, um was es geht. Und wenn Menschen im Spiel sind, die aus der Heimlichkeit heraustreten, werden sie zu Projektionsflächen. Erfolge und Misserfolge werden öffentlich. Ein Jeder kann teilnehmen. Ein Jeder steigt in eine Beurteilung ein. Der Protagonist, der ins Scheinwerferlicht trat, wird vogelfrei.
Findet das Tun im Verborgenen statt, gibt es nur die persönliche Hoffnung in die Zukunft hinein. Eine Vergangenheit kann aufgrund des verborgenen Handels nicht von anderen beurteilt werden, allenfalls in der eigenen kritischen Rückschau.
Findet das Tun in der Öffentlichkeit statt, verbindet sich damit immer eine Geschichte, ein Zeitstrang, der dokumentiert ist oder in der Erinnerung Anderer verbleibt. Die Konsequenz ist, dass ein in die Zukunft hinein ausgerichtetes Handeln immer auch mit und durch die Vergangenheit beurteilt wird. Eine isolierte, neutrale Bewertung des Aktuellen, unabhängig der vergangenen Geschehnisse, ist nahezu unmöglich. Wir ähneln Elefanten, die auch nicht vergessen können.
Die geäußerte Kritik, mal konstruktiv, mal verletzend, führt zu Abwehrhaltungen, zur Verteidigung. Ideen müssen erklärt werden, denn das Eingeständnis eines möglichen Fehlers wäre eine Niederlage, sie führt nicht zu einer Optimierung eines Sachverhaltes, ein Überdenken, sondern zur Ablehnung durch andere. Eine persönlich gefühlte Abwertung ist die Folge. Verteidigung hingegen ist das Abstecken von Raum, der Aufbau scheinbarer Kompetenz, für die wir noch Unterstützer suchen, um die eigene Stellung zu untermauern und aufzuwerten und schnell wird daraus ein Streben nach Macht. Ich bin überzeugt von meinem Tun, also müssen die Anderen irren. Den Mittelweg gibt es nicht. Es wird also zu meiner heiligen Verpflichtung weiterzugehen, komme was wolle. Der Anspruch wird absolutistisch.
Gleichzeitig treibt die Veröffentlichung des eigenen Tuns andere an, die durch ihre geäußerte Kritik selber aufgewertet werden. Werden sie in ihrer Kritik bestätigt, werden sie zu scheinbaren Fachleuten, die sich das Recht herausnehmen, den Ideengeber zu degradieren, um sich selber zu erhöhen. Ein Konkurrenzkampf wird entfacht.
Das, was ursprünglich der Naturschutz sein sollte, wird menschlich, der Fokus verschiebt sich und der Naturschutz als Aufgabe dient nur noch als Label, als vorgeschobene Begründung. Irgendwann fehlt schlicht die Zeit, sich darum zu kümmern. Die gutgemeinte Aufgabe verkommt. Die Selbstlosigkeit, höchstens als persönliche, weil private Genugtuung, verschwindet. Wir wollen öffentlich gefeiert werden. Unser Streben ist Anerkennung. Mangelnde Kompetenz und eigene Fehler kaschieren wir durch das Sammeln von Weggefährten. Je mehr mir folgen, umso höher mein Ansehen. Es ist unbedeutend, ob es Personen sind oder das Rating von Publikationen.
Naturschutz geht nur nach vorne, so wie wir jeden Morgen aufstehen. Wir leben nach Vorne, dort können wir entscheiden, gestalten. Nach hinten können wir nicht leben, dort verändert sich nichts mehr. Die Vergangenheit ist unbeweglich. Sie ist das Buch, in dem wir lesen können, mehr nicht. Das Buch selbst rührt sich nicht.
Aber jeder kann aus seiner eigenen Vergangenheit lernen und für sich prüfen, was in seinem Fokus steht. Naturschutz ist eine zu ernste Sache und sie hat heute keinen Raum mehr für Menschlichkeiten, wollen wir langfristig hier leben und überleben. Der temporäre Erfolg in der Vergangenheit hat in der Zukunft keinen Wert. Im Naturschutz geht es vordringlich um die Natur, die letztlich Auswirkungen auf uns hat. Aber wir Menschen stehen in dieser Reihenfolge nur an zweiter Stelle! Überleben werden wir langfristig nur, wenn wir aktiv aus dem Scheinwerferlicht heraustreten. Oder sagen wir es anders: Wir werden erfolgreich sein, wenn wir demütig werden und einsehen, wer hier der Platzhirsch ist.
Wolken ziehen auf. Der Himmel verdunkelt sich. Aus der Windstille wird Wind. Erst bewegen sich Blätter, dann Äste, dann ganze Bäume. Unruhe breitet sich aus. Die ersten Vögel steigen auf, verlassen den Ort. Ich blicke ins Tal, dort wo der Bach verläuft. Friedlich, langsam, leise gurgelnd.
Die Wolkenreihen schließen sich, der blaue Himmel ist verschwunden. Aus grau wird dunkelgrau wechselt zu violett. Es blitzt, der Donner noch weit, erreicht mein Ohr verzögert. Dafür zerzaust der Wind meine Haare, auf meinem Arm der erste Tropfen. Noch klebt er an seiner Einschlagstelle.
Der Wind beginnt zu sprechen. Die Regentropfen auf dem Boden trappeln, marschieren, rennen. Immer mehr Blitze versuchen ein dauerhaftes Licht zu zünden, Donnergrollen geht ineinander über.
Die Schleusen öffnen sich, aus Regen wird Sintflut, der Bach schwillt. An den Ufern abgelagertes wird abtransportiert, es hemmt den Fluss, das Leben muss jetzt fort.
Rennende Regentropfen sammeln sich, bilden Gemeinschaften in Pfützen, begrüßen andere und gehen gemeinsam auf Wanderschaft, das Ziel der Bach, der sich entwickelt und zum Fluss wird. Die Freude an Bewegung, der Veränderung steigt, Tropfen springen, bilden Schaum auf dem Strom. Er verändert sich, nimmt immer mehr Ufer weg. Die Schnecke im Schilf ist zu langsam. Nur im Haus verstecken reicht nicht mehr. Wer das Mahnschreiben nicht annimmt, muss gehen unter fremdbestimmten Vorgaben, wird geführt. Andere sind geschickter und handeln, suchen Lösungen. Mal erfolgreich, mal erfolglos. Veränderung ist der mögliche Sieg, das Loslassen des Schilfhalmes, des Bestehenden, das Muss. Steigt die Flut, besteigt der Käfer das Floß und reitet auf den Wellen, während andere versinken. Es gibt sogar Käfer, die den Ritt feiern. Ich bin demütiger, stiller. Es braucht Mut den Schritt auf das Floß zu wagen. Dem Mutigen gehört die Zukunft, der Zweifel bleibt allenthalben, darf nicht führen.
Die Strömung transportiert eine Zeitlang, bis sich alles wieder beruhigt an einem anderen Ort mit anderen vielleicht für mich günstigeren Bedingungen. Die neue Chance ohne Altes, was mich hinderte, mir die Luft nahm.
Wir leben in einer Zeit des Wandels. Neue, meist erschreckende Daten fluten täglich die Medien. Medien versuchen sich gegenseitig zu überbieten, um mehr Follower und Likes zu erhalten. Folgt man diesem Tun einen Tag lang unreflektiert, ist man abends nahe am Suizid. Vielleicht wird es noch mal deutlicher, weil wir heute so viele Medien haben. Früher gab es die Tageszeitung, meist eine, maximal zwei und in meiner Kindheit gab es ARD, ZDF, WDR 2 und evtl., weil wir an der niederländischen Grenze wohnten, den „Holländer“, der genaueres Wetter hatte, weil es überwiegend aus dem Westen kommt. Heute ist das Angebot schier endlos und ich kann zwischen hunderten Sendern und Magazinen wählen. Dies sollte doch eigentlich dazu führen, dass wir uns mehr um diese Thematik kümmern. Sollten!
Wir haben immer tausend andere Dinge zu tun, die meist eine höhere Priorität haben.
Die Tendenz draußen scheint aber immer gleich zu sein. Dadurch, dass wir Menschen gravierend in den natürlichen Haushalt eingegriffen haben, werden die Schwankungen im Wetter immer deutlicher. Die Wetterextreme, die Ausschläge nach unten und oben, wie Regenmengen, Windstärken und Temperaturen, haben immer mehr Auswirkungen. Die Natur ist im Wandel.
Lebende Organismen sind zum Glück dynamische Systeme, die gelernt haben, sich den gegebenen Bedingungen in einem gewissen Toleranzbereich anzupassen. Werden die Toleranzen überschritten, sterben lokale Populationen aus oder sie wandern ab in Bereiche, die für sie geeignet sind. Arten erweitern ihr Verbreitungsgebiet oder sie verkleinern es. Je nachdem, wie die vorherrschenden Bedingungen sind und wie flexible die Art ist. Ein Kaiserpinguin ist weniger flexibel als die orientalische Scharbe.
Der Naturschutz wird auf der UN-Ebene großflächig bis global gesehen. Naturschutzverbände haben Bundesländer oder das Staatsgebiet im Fokus und der einzelne Akteur, ob Ehrenamt oder im Naturschutz angestellt, hat in der Regel einen überschaubaren Raum, meist in der Nähe seines Wohn- oder Arbeitsortes.
Wenn aber die naturschützenden Einheiten, wie UN, Verbände oder Akteure gebietstreu sind, so ist es die Natur nicht. Organismen im Naturhaushalt kümmern sich nicht um menschengemachte Verwaltungsgrenzen, ihr Fokus sind die abiotischen oder biotischen Bedingungen, die auf sie einwirken.
Es stehen also ein starres System einem flexiblen Leben gegenüber.
Macht es da noch Sinn unter dem gegebenen Wandel, eine lokal vorkommende Art zu schützen? Konkret geht es darum einen konservierenden Naturschutz oder einen Prozessschutz vorzunehmen. Wollen wir mit viel Geld und hohem menschlichem Einsatz eine lokal vorkommende Art erhalten oder sagen wir: Ok, wenn sich äußere Bedingungen verändern, schauen wir zu, begleiten den Wandel, halten aber an der ehemals vorkommenden Art nicht fest, sondern begrüßen die Neuen.
Wir sind mitten im Wandel. Es ist verbrieft, dass es den Wandel gibt, aber wohin und mit welchen Auswirkungen, wissen wir nicht. Natürlich gibt es gut belegbare Tendenzen. Es ist aber nicht möglich in die Zukunft zu sehen, wir können nur Erkenntnisse aus Geschehenem ziehen. Nur, dass sich was verändern wird, ist klar.
Was bleibt dann? Der Naturschutz, so wie wir ihn kennen, muss sich wandeln. Bisher haben wir Flächen geschützt, optimiert und beobachtet, WEIL bestimmte Arten vorkamen. Die Art oder die Artenzusammensetzung war zu erhalten, deshalb haben wir Flächen gesichert. Der Weg zukünftig wird sein, RÄUME zu sichern, um Grundlagen und Optionen für Arten zu schaffen. Welche Arten in den Räumen dann vorkommen, ist eine sekundäre Frage und steht nicht mehr im Fokus, auch wenn wir diese natürlich sehr genau beobachten werden. Die Neugierde bleibt. Das bedeutet aber auch, dass unsere Identifikationsobjekte, wie bunte Schmetterlinge, wohlriechende Blütenpflanzen auf bunten Wiesen, schattenspendende Wälder und melodisch singende Vogelarten nicht mehr die Priorität haben, sondern Flächen.
Daraus ergeben sich unterschiedliche Aufgaben, die aktuell noch gar nicht definiert sind. Entweder wir richten sie - die Flächen - möglichst heterogen her, so dass möglichst viele Möglichkeiten für potenzielle Einwanderer bestehen und/oder wir folgen den Hypothesen der Klimatologen und richten Flächen nach denkbaren Zukunftsszenarien her. Ob dies dann die klein strukturierte Landschaft von vor 200 Jahren ist oder die offene, präriegleiche Steppe, bleibt abzuwarten.
Realistisch betrachtet gibt es in meinen Augen nicht mehr die Option "krampfhaft" an einzelnen Arten festzuhalten, sondern es geht um den Schutz von Räumen und auch hier wird es kein Ziel geben, wie diese auszusehen haben, sondern sie unterliegen den natürlichen Veränderungen. Der konservierende Naturschutz wird dauerhaft nicht zu halten sein.
Was wir jetzt tun können, ist zu schauen, was benötigen die aktuell vorhandenen Arten, auch wenn diese dort nicht dauerhaft leben werden und durch Andere ersetzt werden. Sie geben uns Handlungsanweisungen, denen wir folgen können, aber die Art an sich rutscht raus aus unserem prioritären Fokus. Es gilt auch zu beobachten, wohin sie gehen, damit andere Gebiete vorbereitet sind.
Ein anderes Problem sind wir Menschen. Bestehendes zu erhalten, hat etwas von Konstanz, von einer Basis, der wir vertrauen können. Die Zukunft wird als Basis ersteinmal die dauerhafte Veränderung haben. Wir werden in einem dauerhaften Veränderungsprozess leben müssen, in dem der nächste Tag nicht dem Heutigen gleichen wird. Die Unsicherheit wird Teil der Welt sein, denn nur die Ungewissheit ist die konstante Gewissheit.
Das Engagement in einem gemeinnützigen Verein ist Ausdruck eines inneren Antriebes. Nach Wikipedia (20.04.2023) lautet die Definition von Ehrenamt: "Ein Ehrenamt ist die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes oder einer gesellschaftlichen Aufgabe im Gemeinwohlinteresse ohne Einkunftserzielung, [...]. Die Übernahme eines Ehrenamts ist in der Regel freiwillig." Ein unfreiwilliges Ehrenamt ist beispielsweise die Bestellung zum Wahlhelfer.
Deutlich ist dies im Naturschutz zu spüren. Menschen verbringen endlose Stunden ihrer Freizeit in der Natur, um Tiere und Pflanzen vor dem Aussterben zu schützen. Eine per se identitätsstiftende Tätigkeit, so definiert sich das Ehrenamt, wird aber häufig zu einer zwingenden Notwendigkeit.
"Mache ich nichts, werden die Tiere und Pflanzen aussterben. Ich muss es also tun, denn der Nachbarn tut nichts. Es macht ja sonst keiner."
Die Aufgabe des eigentlichen Ehrenamtes wird auf eine höhere Ebene gehoben.
Auch findet eine Abgrenzung innerhalb der ehrenamtlichen Community statt, da ein Gesangsverein nicht denselben Stellenwert hat.
Nun ist es nicht verkehrt, wenn ein Mensch mit seinem Ehrenamt eine hohe Identifikation verbindet. Realistisch müssen wir auch sagen, dass es auch Unterschiede innerhalb des Ehrenamtes gibt. Häufig wird über viele Jahre hinweg eine fachliche Kompetenz erworben, die den sogenannten Profi, also die Person, die für eine ähnliche Aufgabe bezahlt wird, übertrifft. All dies will und darf gar nicht in Abrede gestellt werden.
Das Problem beginnt dann, wenn mit der Aufgabe Emotionen verbunden werden. -> Jetzt wird es richtig schwierig, da das Ehrenamt im überwiegenden Teil eine emotionale Angelegenheit ist. Es geht um Selbstverwirklichung. Damit ist der Aufbau eines sachlichen Abstandes problematisch.
Aus meiner persönlichen Sicht muss in der aktuellen Zeit ein neuer Weg, der mit einem zukunftszugewandten Umdenken verbunden ist, beginnen. Ein Umdenken ist schwierig, wenn der bisher begangene Weg eine lange und zumeist erfolgreiche Tradition beinhaltet, wie es im Fall des Naturschutzes der Fall ist. Hätten wir den ehrenamtlichen Naturschutz nicht, wäre vieles erheblich schlechter.
Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte erfolgte vom ausschließlichen Ehrenamt über Mischstrukturen, in denen Ehrenamt und finanzierte Stellen parallel existierten, hin zu häufig vollfinanzierten Strukturen in der heutigen Zeit, beispielsweise die zahlreich entstehenden Landschaftspflegeverbände.
Dabei entsteht auf Seiten des Ehrenamtes ein großer Frust.
„Subjektiv wird mir, dem engagierten Vereinsmitglied, eine Struktur vorgesetzt, die es anscheinend besser kann. Damit verliere ich meine bisherige Anerkennung, wenn ich nicht sogar überflüssig werde.“
Woher kommt diese Annahme?
Die neuen Strukturen haben die Möglichkeiten signifikant mehr Zeit im Vergleich zum Ehrenamt zu investieren und sind losgelöst von der Intention der persönlichen Verwirklichung. Sie können sich hauptamtlich um eine vormals ehrenamtliche, meist freizeitgebundene Aufgabe kümmern und sind in der Lage schneller Projekte umzusetzen.
Ein zusätzlicher Frust entsteht dort, wo es um das liebe Geld geht. Vereine kämpfen um jeden Cent, sind auf Sponsoren angewiesen, betteln um Mitgliedschaften, müssen jeden Euro umdrehen, bevor sie ihn einsetzen können. Auch das muss in der Freizeit geschehen, was mich als Ehrenämtler von meinem eigentlichen Wunsch, dem Schutz der Natur, abhält, aber eine Notwendigkeit für den Verein darstellt, die ich wohl oder übel auch noch machen muss. Neue Strukturen hingegen werden von der öffentlichen Hand gefördert. Scheinbar gibt es hier große finanzielle Möglichkeiten, die wesentlich leichter zu bekommen sind. Auf die ich im Verein aber nur sehr begrenzt Zugriff habe. Gefühlt werde ich absichtlich finanziell knappgehalten.
Um es vereinfacht zu sagen:
"Da dringen fremde Leute in meinen Bereich ein. Sie drängen sich in mein Arbeitsfeld, für das ich viele Jahre in meiner Freizeit gekämpft habe. Ich wollte etwas bewegen für uns alle und jetzt kommen andere und ihnen wird das Geld "nachgeworfen".
Und ich, der sich seit Jahren die Finger wundtippt, der gegen Strukturen ankämpft, wird einfach übergangen."
Ist das so?
Nein!
Zum einen sind die sogenannten Leute in aller Regel hervorragend ausgebildete Personen, die seit Jahren in anderen Bereichen des Naturschutzes viele Erfahrungen gesammelt haben und die, gerade im Sektor Naturschutz, natürlich auch die Vereinsarbeiten kennen. Zum anderen liegt hier eine riesige Chance für die etablierten Vereine, die offensichtlich nicht gesehen wird:
Als Ehrenämtler muss ich mich, aufgrund des zeitlichen Zwanges, den ich habe, auf Kernbereiche konzentrieren. Ich muss da tätig werden, wo die Wahrscheinlichkeit möglichst hoch ist, Erfolg zu haben. Effektivität ist der Kampfbegriff. Dies führt dazu, dass ich in den allermeisten Fällen den Status quo in einem Projekt erhalten will. Ein Mehr ist aufgrund der personellen, zeitlichen und finanziellen Ressource meist nicht möglich.
Nehmen wir als Beispiel die Landschaftspflegeverbände (LPV) des Landes Hessens. Sie wurden, nach einer schwierigen Startphase, in den vergangenen Jahren rasant und in großer Zahl gegründet.
Jetzt wechseln wir noch mal die Sichtweise auf den gemeinnützigen Verein: Als Mitglied des Vereines stehen mir mit den vollfinanzierten Strukturen hauptamtliche Kollegen zur Seite, die für das Gleiche kämpfen. Ihnen kann ich meine Erfahrungen weitergeben. Ich kann aus Sicht des Vereins dieses Potential nutzen, um meine Ziele, die nicht mein Privateigentum sind, mit einer höheren Chance zu realisieren.
Der Schritt im Kopf ist ein Schwieriger. Meine Ziele sind meine Kompetenz, die ich mir in vielen Jahren mühsam erarbeitet habe, mein Baby. In positiver Betrachtungsweise gebe ich meine Erfahrungen weiter, damit andere, diese zum Erfolg bringen können. In negativer Sichtweise werden sich andere mit meinen Errungenschaften schmücken und ich verliere vielleicht meine bisherige Position im Gesamtgefüge der Naturschutzcommunity.
Das ist die notwendige Transformation, die ansteht. Gleichzeitig ist es ein schmerzhafter Prozess des Loslassens.
Die Lösung liegt in der Mitte: Die finanzierte Struktur setzt die Kompetenzen des Ehrenamtes um, bleibt aber weitgehend Dienstleister. Das Ehrenamt bekommt die Zeit sich um die grundsätzlichen Fragestellungen zu kümmern und wird befreit von den zeitaufwändigen Kleinaufgaben, die behindern und es unmöglich werden lassen, das Große und Ganze im Blick zu haben. Die Rolle des Vereins wird sich ein Stück weit verändern. Gleichzeitig ist die finanzierte Struktur aber auch nicht der extern finanzierte Angestellte des Vereins, da dort ebenso Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen vorhanden sind. Letztlich bietet die vollfinanzierte Struktur einen Mehrwert.
Naturschutz ist keine Privatsache auch nicht hinsichtlich eines etablierten Vereines. Wir leben in einer Zeit, in der es weitreichende Umbrüche gibt. Die aktuelle Situation ist ein Aufbruch, keine Frage, sie ist schmerzhaft, aber Naturschutz geht nur nach vorne. Erfolge in der Vergangenheit sind schön in der persönlichen Rückschau und sollten anerkannt werden. In der Zukunft haben sie keinen Wert.
Wenn das Mitglied eines gemeinnützigen Vereins es schafft, seine fachliche Expertise emotionslos zu betrachten und sie in die neuen Möglichkeiten einbringt, gewinnen wir alle und auch der Verein behält seine Position als Ort der fachlichen Orientierung.
Kleines, braunes Tierchen, niedlich anzusehen. Hoher Herzschlag, immer in Eile. Große Augen. Keine Ruhe, suchend, die Gegend beobachtend. Knackt es, rennt es. Der Bussard ist lautlos. Sein Dolchstoß ohne Entkommen. Eine Handvoll Leben, zu leicht ausgehaucht, zwischen Blättern und Ästen am Boden. Lebenserwartung nur Monate. Der Methusalem erreicht Weihnachten, die anderen gehen nach den Sommerferien. Ein heimliches Leben in einem Loch im Boden, am Fuße eines Baumes, zwischen Wurzeln. Ausgekleidet mit Blättern Moos, Haaren und Federn. Manchmal ein wenig Stoff.
Ist die Luft rein, sucht das Fellchen Futter. Wittert es Gefahr, greift es auf Vorräte zurück, bleibt versteckt. Ist die Gefahr anhaltend, verhungert es. Ein Leben im Stress. Es gibt sie überall. Manchmal sind es viele, der Bussard lacht und tanzt, teilt mit der Eule und dem Fuchs, manchmal sind sie einsam oder vertrocknet als Mumien hoch in den Bergen.
Die Ernte, ihre Zeit. Das Paradies im Jahresverlauf, dann wenn sich die ersten Pfützen auf den Feldern bilden. Der Bauer schlampig oder mitfühlend. Wer weiß? Die Saat, sein Eigentum, tragen sie ein. Kleine gehetzte Diebe, immer auf der Flucht. Der Winter wird lang, der Stoffwechsel zu schnell. Pflanzliche Nahrung ist gut, tierische wäre besser. Raubtiere sind sie nur formal.
Zuweilen ist der Mäusegott gütig. Manchmal liefert er Fleisch und Nistmaterial in Einem. Verpackt in Stücken, verteilt im Wald oder auf Wiesen. Ein Puzzle für viele. Manchmal roh, manchmal gegrillt. Sie wissen nie, wo es das nächste Mal etwas gibt. Sie wissen nicht wann. Nur wenn er kommt, preisen sie ihn. Sie lesen die Messe. Er gibt ihnen Zeichen, sie falten die Pfoten. Erst stampft er auf, ist laut, der Boden vibriert, als ob eine Welle diesen durchläuft, dann hinterlässt er Weihrauch, dann ist Ruhe. Zeichen für die Erdlochbewohner. Immer gleich. Immer die gleiche Abfolge.
Das Ritual für den gedeckten Tisch, dann wenn Vater die Glocke schlägt. Das Erntedankfest.
Sie sammeln, tragen ein und essen so viel sie können. Den Winter gilt es zu überleben. Gott ist gütig. Es stört nur der Ehering des Soldaten im Erdloch, er erinnert zu sehr an Gott.
6:20 Uhr, die Sonne scheint und ich will zum Watt. An der niederländischen Grenze gibt es ein Aussichtshaus. Es steht, nach einem Anmarsch von etwa einem Kilometer durch Schilf, im und auf dem Wattboden. Fest verankert, um gegen die Stürme der See gewappnet zu sein. Mein Weg dorthin führt mich über menschenleere Straßen, die halb im Nebel liegen. Die Sonne, bisher nur wenig über dem Horizont aufgestiegen, malt ein surreales Licht in die verhangene Landschaft. Der Blick fokussiert sich auf das Sichtbare. Nach einer viertel Stunde bin ich am Ziel. Hier am Wasser fehlt der Nebel. Er blieb in den Bäumen an Land hängen.
Jetzt schnell das Fernglas, meine Handys für die Vogeldaten und rauf auf den Holzbohlenweg zum Aussichtshaus. In der Ferne höre ich Gänse, die Ersten fliegen schon los. Sie wollen zu den umliegenden Wiesen ihren Tag verbringen, dort wo sie ihre Nahrung aufnehmen. Das Watt ist nur die Übernachtung, um vor den Feinden geschützt zu sein, die im Morast nicht laufen können.
Ich gehe den morgentaufeuchten Holzsteg entlang. Passiere verschiedene kleine Kanäle, die das Wasser bei Ebbe aus dem Schilf entlassen, nur um es Stunden später wieder hinein zu transportieren. Kein Mensch weit und breit, meine dicke Jacke schützt mich vor der frühen Kälte. Ein wenig müde bin ich noch und deshalb kälteempfindlich. Ich habe auf meinen morgendlichen Kaffee verzichtet, weil ich raus wollte. Nur die Hunde habe ich kurz auf die Wiese gelassen zum Wasser lassen. Besonders viel Lust hatten die aber nicht und sind froh, dass sie wenige Augenblicke später wieder in ihre Körbchen dürfen. Sie sind eine verpennte Bande.
Nur noch wenige Meter bis zum Haus, dann die Metalltreppe hoch und hinein in den kargen Holzraum mit den Schießscharten, durch die ich mein Fernglas stecken kann. Manche alten Dinge haben sich doch bewährt, kommt mir ein ironischer Gedanke.
Vor mir Wasser, Sand, Schlick, Vögel und Weite. Der Himmel ist wolkenlos blau. Die Sonne steht hinter mir und beleuchtet die Landschaft. Die unter großem Palaver aufsteigenden Trupps der Graugänse fliegen der Sonne entgegen und mir entgegen. Brauner Schlick, soweit das Augen reicht, am Horizont Windräder, klein wie Nadeln. Abfließendes Wasser hat kleine Gräben wie Canyons in den sandigen Untergrund gegraben. An den Ufern kommt es immer wieder zu Abbrüchen. Auf dem Schlick zahllose Fußspuren ausschließlich von Vögeln. Bis auf das Geschrei der Vögel, höre ich nichts, Stille. Keine Menschen, keine Autos, keine Schiffe, keine Flugzeuge am grenzenlosen Himmel, auch kein Wind. Am Haus Mehlschwalben, eine kleine Kolonie, die hier gebrütet hat. Einzelne Nester sind noch besetzt, die meisten Vögel umkreisen mit lautem Rufen das Haus. Sie sind noch nicht ausgefärbt, haben ihr Nest erst dieses Jahr verlassen und üben den Flug und das Fangen von Insekten über dem Schilf. Formal noch Kinder aber schon Profis in der Luft.
Ich sitze auf einer Holzbank in der Hütte und schaue, notiere ab und an einen Vogel und schaue wieder, ohne Hast, ohne Eile, ohne Termindruck. Es ist Sonntagmorgen. Zu früh für die Touristen, die die Küste besuchen. Sie sitzen, wenn sie nicht noch schlafen, an ihren Frühstückstischen. Zum Glück bin ich hier nicht für den Urlaub, ich darf hier leben, arbeiten und sein.
Die Formen des Watts faszinieren mich und ich ärgere mich, dass ich nicht meine Kamera dabei habe und mein Tablet. Ich würde gerne hier alles direkt festhalten. In der Not fotografiere ich mit dem Handy und verspreche mir, nachher, zu Hause, das Gesehene aufzuschreiben.
Ein paar Stunden später bin ich wieder zu Hause, koche mir endlich einen Kaffee und löse mein mir gegebenes Versprechen ein.
Ich schreibe aus der Erinnerung und überlege, was wohl authentischer ist. Das Schreiben vor Ort, wenn die Eindrücke durch meine Augen, in den Kopf und über meine Hände in die Tastatur fließen können oder ob es besser ist, die Eindrücke aufzunehmen, aber mangels Schreibutensilien den Strom der Eindrücke im Kopf abzubremsen, damit er dort sedimentieren kann. Und wenn ich Stunden später dann schreibe, ich nur auf das nicht Sedimentierte zurückgreifen kann. Verbleibt dann nur der für mich wichtige Eindruck und das Unwichtige hat sich bereits im Sedimentierungsprozess zersetzt und ist weg? Ich weiß es nicht, aber ich werde in den kommenden Tagen wieder zur Hütte fahren und vielleicht habe ich dann was dabei, um es direkt festzuhalten.
Gerade hier sprechen wir immer wieder über neue Wege. Viele davon klingen logisch, nachvollziehbar, bleiben aber theoretisch. Vielleicht versuchen wir es ein wenig mit Praxisnähe.
Wir wollen, sonst hätten wir das hier auf dieser Plattform nicht begonnen, neue Wege gehen. Neue Wege heißt, wir müssen alte Pfade verlassen. Der alte Weg ist ausgetreten und gut gangbar, es gibt nichts, was den Schritt behindert, führt aber nur zu einem bekannten Ziel. Wenn das an sich schon nicht furchtbar langweilig ist, frage ich mich, ob das nicht Geld und Zeitverschwendung ist. Ich kann mir vom Ziel auch berichten lassen, weil schon genügend da waren, sonst wäre der Weg nicht so ausgetreten. Will ich das Gleiche, wie die anderen, die vor mir den Weg ausgetreten haben? Will ich das erreichen, was die anderen erreicht haben? Die Wiederholung von der Wiederholung. Ist ein persönliches Ziel, dass ich mir vorgebe, nicht etwas sehr Individuelles? Wie kann ich dann einen ausgetretenen Weg gehen?
Neue Wege führen durch Gelände, durch das man sich hindurcharbeiten muss. Es ist wie eine alte, zugewachsene Brache auf dem Land. Deshalb geht da keiner durch, weil es mühsam ist. Es pickt überall, weil Dornensträucher gewachsen sind, der Weg kann steinig sein, auf einmal gibt es eine nasse Senke, die wir umrunden müssen, die wir vorher aber gar nicht sehen konnten, oder wir laufen durch sumpfige Bereiche, in denen wir drohen zu versinken. So wird es bei uns sein. Der neue Weg wird mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden sein. Ob das Ziel sich lohnt, wissen wir nicht, aber es gibt die Chance darauf und die sollten wir suchen! Und wenn wir auf der anderen Seite der Brache angekommen sind, ist dort vielleicht der Ort, wohin wir immer wollten. Und dieses „vielleicht“ bleibt ein „vielleicht“.
Jeder definiert sein Ziel selber. Mitnehmen können wir nur den Willen, etwas Proviant, gute Kleidung gegen Dornen, Mücken und Regen und feste Schuhe.
Immer wieder liest man von der Angst, wenn Schriftsteller/innen vor dem leeren Blatt oder leeren Bildschirm sitzen. Die Angst davor, die ersten Worte zu schreiben. Sind sie gut? Fällt mir nichts ein? Was ist, wenn ich den Text nicht gut hinbekomme? Was ist, wenn ich heute Abend noch nichts geschrieben habe?
Aber ist das leere Blatt nicht wie ein Baby? Keiner weiß, wohin es sich entwickelt. Alle Chancen liegen noch in einem Kokon und können genutzt werden. Es gibt keine Schranken. Kein Muss, kein nein. Alles darf.
Ich bin immer wieder fasziniert davon. Klar, meistens habe ich eine Idee, aber was am Ende dabei rauskommt, weiß ich nicht. Es ist wie der Weg durch eine fremde Landschaft. Die Worte kommen, füllen das Blatt und erst am Ende muss ich entscheiden, ob ich den Text überarbeiten und behalten möchte.
Es ist immer wieder ein Abenteuer.
Ja, natürlich gibt es auch Texte, für die ich beauftragt werde. Inhalte sind in gewisser Weise vorgegeben, über die ich schreiben soll. Aber sie sind nur Zwischenstopps auf meinen Weg durch eine Wörterlandschaft. Den Weg von Haltepunkt zu Haltepunkt darf ich frei wählen. Ich kann hier eine Pause einlegen, ich darf hinter dem nächsten Felsen schauen, ob ich was Spannendes sehe.
Das leere Blatt ist das Kribbeln im Bauch, wie wenn ich ich am Flughafen stehe und in ein fremdes Land reise.
Und für Euch? Chance oder Angst?
Offene, weite Landschaft. Wenige Bäume, keine Wälder, allenfalls sind kleine Gebüschgruppen eingestreut, dafür Wiesen mit Trichtern. Viele Trichter, teilweise gefüllt mit Regenwasser, noch ohne Frösche, vielleicht im nächsten Jahr. Sie sind noch nicht eingewandert. Andere schon. Sind täglich hier und schaffen neue Trichter. Spuren wie Feldwege durchziehen die Ebene, kreuz und quer, wie ein Spinnennetz. Die Landschaft bretteben, graubraun, nicht bunt. Ich fliege, wie ein großes Auge, über sie hinweg. Surre lautlos, schaue mal dorthin, mal dahin, schaue nach unten, bleibe stehen in der Luft, steige auf, steige ab, um mir eine Kleinigkeit unten am Boden genauer ansehen zu können.
Ich bin eine handelsübliche Drohne, unter mir hängt eine Handgranate, schaukelt durch meine Flugbewegungen mal nach rechts, mal nach links, mal nach vorne, mal nach sie wissen schon.
Ich bin schnell, rase dahin, mich steuert irgendwer, von irgendwo.
Unter mir ein Gehölzriegel. Ich sinke, schaue mir alles gut an, finde einen russischen Panzer. Steige auf, warte und beobachte. Die Luke öffnet sich, ein grünbehelmter Mensch ohne Gesicht erscheint, sucht die Ebene mit einem Fernglas ab. Verschwindet wieder in seinem Panzer, die Luke bleibt geöffnet. Er muss lüften, Männerschweiß in einer Sardinendose, einer hat gefurzt.
Ich sinke, versuche mich über die geöffnete Luke zu positionieren, meine Kamera fokussiert, richtet aus, filmt, dokumentiert, tonlos. Die Handgranate unter mir schaukelt, beruhigt sich, bleibt in Lage. Ich löse den Verschluss über meine Fernbedienung, die Granate fällt. Freier Fall, ausgerichtet über die Luke. Die Kamera filmt den Absturz der Granate. Kaum größer als eine Apfelsine. Sie wird kleiner und kleiner, verschwindet in der Luke, perfekt gezielt, explodiert.
Ich steige auf, ein kurzer Blitz, dann ein wenig Rauch, der die Luke verlässt. Ich steige weiter auf, immer noch tonlos, weiche etwas seitlich aus. Bessere Perspektive für das Gesamtbild. Aus dem Rauch wird Feuer, die Munition innerhalb des Panzers entzündet sich, aus fackelndem Feuer werden Feuerstrahlen, der Panzer explodiert. Nicht sofort, alles dauert, ist eine chemische Reaktion. Durchzünden.
Mein Einsatz: eine Steuerperson, eine Granate Wert 45 $, eine Drohne Wert 750 $.
Mein Ergebnis: ein Panzer T-14 Armata Wert 7 Mio. $ zerstört, drei Personen aus dem Spiel genommen, wie es mal Prinz Harry sagte.
Kosten-Nutzen-Analyse positiv, eigene Verluste Null.
Die Kamera schwenkt zur Seite, fliegt zurück über offene Landschaften, bretteben, graubraun, wortlos, tonlos, damit ich nicht höre, wie drei Menschen erst verletzt werden, ihnen Arme und Beine abgerissen werden und dann verbrennen bei lebendigem Leib, weil sie nicht flüchten können. Ihre Schreie vor Schmerzen, bis sie sterben dürfen, wenn der Panzer endlich explodiert und sie in Stücke reißt, höre ich nicht. Sie frei sind, ihre Mütter zu Hause in sich zusammensacken, weil sie ihre Söhne verloren haben, die Frauen ihre Männer, die Kinder ihre Väter. Ein Grab wird es nicht geben, was soll auch beerdigt werden. Das, was übrigbleibt, holen sich zwei Elstern, ein Fuchs und vier Mäuse. Der Rest für die Regenwürmer. Ein Brief wird kommen, vielleicht. Wir danken für ihren Einsatz. Dürre Worte, maschinell erstellt, als letzte Verbindung, Serienbrief.
Wir sind Zuschauer, immer wieder, kostenlos, täglich, trinken dabei Kaffee, beißen in unser Schokocroissant. Warten darauf, ob doch noch einer aus dem brennenden Panzer springen kann und vor unseren Augen verbrennt. Ja, wieder drei Russen weniger, während zur gleichen Zeit drei Ukrainer auf eine Landmine fahren, irgendwo, ohne Drohnenaufnahme. Sie werden ein paar Tage später gefunden, weil die Krähen eine kostenlose Futterstelle gefunden haben.
Sinnlosigkeiten ohne Ende. Zum Glück tonlos, sonst wäre es vielleicht doch nicht auszuhalten und mir würde der Kaffee nicht schmecken. Es wäre auch zu Schade um das Schokocroissant, das schmeckt am besten frisch.
veröffentlich bei: https://www.pressenet.info/essay/drohnenperspektive-essay-martin-kreuels.html
Es drohte die AFD in Nordhausen. Es bildet sich eine Koalition der Bürger und die AFD verliert. Die NASA startet vor sieben Jahren ein Projekt, um Staub von einem Kometen zu holen und bringt 250 Gramm nahezu punktgenau und auf die Minute zurück zu Erde. Daran arbeiteten hunderte Menschen, wie gesagt, sieben Jahre lang, täglich.
Es gibt sie, die Ideen, die Menschen verbindet, um etwas zu erreichen, was sie alleine nicht schaffen könnten. Jeder Einzelne für sich, würde an dem Projekt scheitern.
Im Tierreich gibt es ebenfalls die Koalition. Es geht gerade wieder los. Schaut einfach mal in den Himmel, wenn die nächsten Zugvögel im Formationsflug (Energie einsparen) über euch hinweg fliegen. Oder schaut ins Meer, wenn der Fischschwarm zusammenhält, wenn der Hai kommt.
Immer, wenn es um etwas Größeres geht, hilft die Gruppe. Eine Firma funktioniert nicht anders.
Der Egoist hat nur seine Reproduktionsrate im Fokus, einen Mehrwert für alle erreicht er nicht. Will er auch nicht. Erreicht er langfristig aber auch nicht, denn spätestens dann, wenn er in Not gerät, braucht er den anderen, der ihn aus dem Wasser zieht. Und langfristig sind es seine Kinder, denen er schadet.
Einen guten Start in die Woche
Ich sitze beim Arzt.
Mir gegenüber sitzt im Wartezimmer ein Mann. Er hustet furchtbar. Ausgehagert, tiefe Falten im Gesicht. Sein Name wird aufgerufen, er folgt der Arzthelferin.
Wenig später sehe ich ihn die Praxis verlassen. Kaum die Stufen herunter, zieht er die Kippenpackung aus der Tasche. Zündet sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug.
Mmh, denke ich. Selbstverschuldeter Husten. Die Kosten trägt die Gemeinschaft. Tse.
Wenig später, bin ich dran. Leistenbruch.
Na, nicht aufgepasst. Was machen sie beruflich?
Biologe, Geschäftsführer.
Also Akademiker. Stimmts?
Ja, warum?
Körperlich ungeübt und gedacht mal eben den Starken beim Renovieren markieren zu können.
Ja, aber…ich bin still. Mir wird die Sinnlosigkeit meines Versuches alles abzuwehren bewusst.
Das nächste mal passen sie besser auf. Sie haben vielleicht einen hohen Abschluss, dass qualifiziert sie aber nicht für jede Tätigkeit. Verstanden?
Ich schaue auf meine Füße.
Jeder trifft seine Entscheidung. Jeder übernimmt für seinen Körper die Verantwortung. Manches lässt sich korrigieren, zum Glück, für Manches können wir nichts, das passiert einfach und manchmal ist es gut, wenn dann jemand da steht und den Ausweg zeigt, auch wenn er ein wenig schimpfen muss.
Wenn wir nicht sehen wollen, schließen wir die Augen. Wenn wir nicht reden wollen, schließen wir den Mund. Genauso, wenn wir nicht schmecken wollen. Wenn wir nicht fühlen wollen, bewegen wir uns nicht und stoßen nicht an. Die Ohren sind aber immer auf. Sie sind wie offene Türen. Jeder Ton kann ungehindert eintreten, wir können das Ohr nicht direkt abschalten. Der Ton bittet nicht um Einlass. Er ist ein Egoist.
Oder ein Engel?
Wollen wir nicht hören, müssen wir die Ohren aktiv verschließen. Wir nehmen unsere Hände und halten sie davor, wir setzen Kopfhörer auf, gehen an stille Orte. Steigen hinab in Höhlen, hinauf auf Berge, tauchen ein in das Wasser, gehen in schalltote Räume.
Warum müssen wir aktive Handlungen vollziehen, um der Welt der Geräusche zu entgehen? Heute?
Aber wie alles im Leben ist Hören Segen und Fluch zugleich. Stören wir uns heute an dem ständigen Lärm allenthalben, war es Nachts, als wir noch am Lagerfeuer schliefen, unser Segen, das Ticket, um den nächsten Sonnenaufgang zu erleben. Das Knacken des Astes, das Stoßen des Fußes an einen liegengebliebenen Stein, war das Geräusch, welches ungehindert in unser Ohr, in unser Gehirn zu unserer Wahrnehmung fliegen konnte und dazu führte, dass der Körper aufgeweckt wurde, um sich zu verteidigen.
Vielleicht ist uns Stille deshalb so wichtig, weil wir sie suchen müssen. Sie zu finden, ist nicht selbstverständlich in dieser lauten Welt, in der das Knacken des Astes, das Stoßen an einen Stein keine Bedeutung mehr hat. In unserer Umgebung sind überall Töne. Ist die Bettnachbarin still, kontrollieren wir ihre Temperatur.
Ich stehe im Garten, nachts, die Hunde machen ihre Tagesabschlussrunde. Eine Waldohreule fliegt an mir vorbei. Lautlos kreist sie durch den Garten. Runde für Runde. Der Flügelschlag nicht hörbar, auch nicht für die Maus im Gras. Auch für sie wird es still an diesem Abend. Aber anders, sie hat vergessen ihr Ticket zu lösen.
Heute morgen habe ich einem Post hier gelesen:
„Bücher schreiben? Warum? Jeder schreibt irgendwann ein Buch, der meint damit seine Marke voran bringen zu können oder zu müssen.“
Das Buch als Visitenkarte. Ein Teil des persönlichen Marketings.
Und die Meisten bezeichnen sich dann gleich als Bestsellerautoren. Und meist gibt es dann irgendwann eine 2. Auflage vom gleichen Buch.
Ok, kann man so machen. Heißt dann aber was?
Der Begriff „Autor“ oder „Schriftsteller“ hat gefühlt etwas Seriöses. Man generiert eine Fachkompetenz, die man durch ein Buch nach außen hin dokumentiert. „Der oder die hat ein Buch geschrieben. Wow, der oder die muss es dann ja können!“
Mir gefällt in der Filmbranche der Preis für sein Lebenswerk, dann wenn ein Schauspieler nach vielen Filmen und nach vielen Jahren für seine Arbeit geehrt wird. Oder bei Malern und Bildhauern die Ehrung für das Gesamtwerk, das dann in Museen als Ausstellungen Räume füllt. Eine Ehrung für eine Leistung, die über viele Jahre versucht wurde, in ihrer Qualität konstant hochzuhalten.
Und ja, das Buch hat etwas Seriöses, was man zum eigenen Marketing einsetzen kann. Es ist das gute Recht eines Jeden, der versucht, seine Arbeit, sein Business voran zu bringen. Wir versuchen es alle, jeden Tag. Die Suche nach dem Etwas, was uns erfolgreich werden lässt.
Wir sollten es aber nicht abhängig von dem einzelnen Buch machen. Schaue ich mir den Autor an, sollten wir uns immer auch sein Gesamtwerk ansehen und dann entscheiden, wie seriös wir ihn oder sie einschätzen. Das einzelne Buch ist es sicherlich nicht. Und damit ist es wie immer: Augen auf!
Die Kaffeetasse macht Sinn, wenn ich ihren Hohlraum fülle. Ob es mit Kaffee oder Milch ist, oder ich eine Blume einpflanze, ist egal. Sie bekommt eine Aufgabe dann, wenn ich sie fülle. Belasse ich sie in ihrem leeren Zustand ist sie ein Dekoartikel, hohl, vielleicht hübsch anzusehen aber letztlich nutzlos. Allenfalls ein Staubfänger.
Menschen genauso. Bestehen sie nur aus MakeUp, Designerklamotten und einem strahlenweißen Lächeln, haben sie schlussendlich keine Bedeutung.
Dabei klingt es so einfach: „Ach ja, schütt halt Kaffee hinein.“
Kaffee kann heiß sein und ich mir die Finger verbrühen.
Einen Mehrwert zu schaffen, um sich nicht als Dekoartikel zu platzieren, ist schwierig. Schließlich muss ich mich dann mit Gedanken, Werten, anderen Meinungen, Kritik, Streit und vor allem mit Menschen auseinandersetzen. Das kann genauso schmerzhaft sein, wie wenn ich mir heißen Kaffee über die Hände schütte.
Aber der Mehrwert entsteht erst durch Inhalte. Das ist nun mal so. Sonst bleibe ich „Das leere ich“.
Experten, soweit wir sehen können. Jede Talkshow ist voll davon. Dort eine Meinung, dort ein Statement. Da eine Hiobsbotschaft, dort ein guter Rat, wie doch noch alles zu retten ist. Den ganzen Tag auf jedem Sender. 24/7. Gefühlt stehen wir immer am Abgrund, noch einen Schritt weiter und wir stürzen. Der Untergang ist nah.
Klar, wir stehen heute in vielen Belangen nicht gut dar und wir steuern sicherlich auf Dinge zu, die nicht gut für uns sind. Jeder einzelne macht es ja auch nicht gut, überall Verbesserungsvorschläge, für jeden Aspekt des Lebens. Das Business könnte besser laufen, weil du machst das und das nicht richtig. Wenn du aber mir folgst, wird dein Leben besser werden, wirst du mehr Umsatz machen, wirst du in kurzer Zeit gar nicht mehr arbeiten müssen. Wir wissen immer alles besser für unseren Nächsten, als ob der nicht selber nachdenken kann. Ne, kann er ja nicht, weil ich es ja besser weiß.
Letztlich trifft doch jeder seine eigene Entscheidung oder sollte es doch tun. Oder?
Manchmal sitze ich in meinem Kämmerlein und schaue auf die Wiese vor meinem Haus, wo der Nachbarhof drei große schwarze Pferde stehen hat, die sich morgens parallel zur Sonne aufstellen, um die ersten wärmenden Strahlen einzusammeln und denke mir: So viele Experten überall und uns geht es schlecht und es wird auch täglich nicht besser. Wenn das so weiter geht laufen wir noch auf eine gemeinschaftliche Depression zu. Passt das alles zusammen, wenn wir doch so viele Fachleute haben?
Was taugt das Expertenwissen, wenn ich täglich mehr von ihnen brauche, weil alles gefühlt schlechter wird?
Was bringt uns als Menschen dann wirklich voran? Ist es die Kultur oder die Wissenschaft? Oder bedingt das eine das andere? Sagt doch mal!
Leichter Wind. Wasser, Strand, Holzhütte, wettergegerbtes Holz. Die dunkelgrüne Farbe ist abgeblättert, hier und dort ist das Holz ein wenig morsch, Algen und Flechten haben Besitz von seiner Oberfläche genommen. Surfbretter, Segel, Neoprenanzüge reihen sich aneinander, sind sortiert wie das Besteck in der Schublade. Lachende, braungebrannte Menschen stehen zusammen. Lange Haare tragen sie hier alle, ob Frauen oder Männer. Einige rauchen, andere trinken entspannt ein Bier oder halten eine Kaffeetasse vor dem Bauch. Die Temperaturen sind angenehm warm, wie das Wasser. Keine Hektik, kein Stress, kein Zeitdruck, Wochenendfeeling am Dienstag.
Junge Menschen stehen auf Brettern an Land, üben die Haltung der Segel. Eine Lachmöwe fliegt kommentierend vorbei. Ein Blässhuhn auf dem Wasser antwortet, die Möwe entspricht ihrem Namen und handelt danach. Das Huhn dreht ab. Die Szene ist ausreichend besprochen.
Ein paar Meter weiter zieht Rauch gen Himmel, der Duft von Bratwürstchen zieht an uns vorbei. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, obwohl ich Vegetarier bin.
Es ist Mittagszeit, die Sonne steht über mir. Ruhepause im Urlaubsmodus, als ob diese gerade notwendig wäre. Vor mir tänzelt eine Bachstelze. Eine Rauchschwalbe fliegt über der Wasseroberfläche und nimmt einen Schluck.
Die Surfschule, ein eingetragenes Unternehmen, in Deutschland registriert und amtlich geprüft. Die Lehrer zertifiziert, geprüft mit Nachweis. Der DIN-Norm entsprechend vom TÜV abgenommen, die Akte mit den Dokumenten steht in der Holzhütte, hinter den Gummianzügen, die die Surfer vor der Kälte des Wassers schützen soll, die hier den Sand von den Akten abhält. Die Akten deutsche Notwendigkeiten für die Betreiber unwichtig.
Neben mir am Ufer, legt ein Paddelboot an. Zwei Urlauber steigen lächelnd aus, der Bootsverleih nimmt das Boot und stellt es zu den anderen. Eine Ameise läuft über meine Tastatur, während ich hier schreibe.
Die Surfschule, Ausdruck eines Lebensgefühls von Freiheit, Sonne und Wärme. Der Betreiber kurz vor Rente, geht täglich nicht zur Arbeit, sondern geht seinem Leben nach. Öffnungszeiten gibt es nicht, entweder er ist da oder nicht. Der Kunde besteht nur aus einem Vornamen.
So geht auch Arbeiten! Guten Morgen Deutschland
Niedergeschlagenheit, Kunstform, Getue, Zeitgeist, Beginn einer Krankheit, regionales Phänomen, Depression…ah ja, was ist es denn nun? Der Deutschlandfunk (09.12.2018) widmet der Melancholie eine ausführliche Darstellung und bemüht dabei das Gemeinschaftswissen. Aber das Ergebnis bleibt im Nebel, zu viele Möglichkeiten, zu viele Wenns und Abers. Jon Fosse dem diesjährigen Nobelpreisträger für Literatur wird eine Nähe zur Melancholie attestiert.
Also doch nicht negativ und medizinisch zu behandeln, sondern eher eine Grundlage für Kreativität? Oder ist es nur die Vorstufe zur medizinischen Indikation?
Aus der Sicht der Kunst behaupte ich, dass es ein Zustand ist, der uns befähigt in einer bestimmten Stimmungslage unsere Kreativität zu leben. Andere brauchen den euphorisierenden Zustand, wie dem nach gutem Sex oder nach einem Glas Rotwein oder der untergehenden Sonne am Meer.
Was ich sagen will ist, dass es ein nutzbarer Teil sein kann. Und wenn wir jetzt mal neutral bleiben, kann es ein Tool sein, welches wir nicht bewerten sollten, auch eingedenk der möglichen Folgen, die ich hier nicht aufgreifen möchte.
Und ist seine Nutzung so verwerflich? Nein! Jedes Naturvolk hat seine Riten, um sich in einem bestimmten Zustand zu begeben. Rennen dort Scharen von Therapeuten hin, um die heute noch verbliebenden Urvölker zu therapieren? Natürlich nicht. Ganz im Gegenteil sitzen wir abends doch zu gerne und staunend vor der Glotze und hören uns die Berichte an. Insgeheim denken wir aber dann, das sind ja Urvölker, Relikte der Vergangenheit, die ihren Bezug zur Realität verloren haben. Ach ja, ist das so?
Randnotiz: Wenn man die Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit betrachtet, waren wir von diesem Zeitraum 99 % Jäger und Sammler und nur 1 % ist das was wir heute den „modernen“ Menschen nennen. Erstaunlich wenig, aber erstaunlich viel, was wir meinen bewerten zu müssen.
Und nun? Kommen wir noch mal zurück. Es ist die Schwingung im Kopf, die wir nutzen, um Bilder zu sehen, die Trance die wir erreichen wollen oder den Tanz. Wir können sie beim Klang der Schamanentrommel sogar auf das physikalische Hertz herunterbrechen, die das Gehirn in einem bestimmten Zustand führt.
Und so ist es wie so häufig. Es ist ein Teil von dem einen oder anderen. Der eine wird schlussendlich krank, der andere nutzt es für seine Kreativität, indem er immer wieder diesen Zustand sucht, um damit Bereiche im Gehirn zu aktivieren, die seinen kreativen Prozess fördern. Es hat immer zwei Seiten und vielleicht ist es dann doch die Balance, die wir schaffen müssen, wenn wir kreativ bleiben wollen, um nicht ins Extreme zu verfallen, wobei, ich überlege gerade, wir auch dort Zeitgenossen haben, die genau das Extreme suchen, um ihre ganz eigene Kreativität zu leben.
Was benötigt ihr denn für einen Zustand, um eure Kreativität zu entfalten? Sagt doch mal!
Es treibt mich um und ich kann es noch nicht greifen. Ich liege hier nach einer vergleichbar kleinen OP und bin etwas aus dem Alltagstrott herausgenommen. Eine luxuriöse Situation, Pause machen zu dürfen bei einer laufenden Heizung und einem gefüllten Kühlschrank im eigenen Haus. Meine liebe Frau, immer besorgt um mich, ermahnt mich, ich soll gefälligst auf die Couch gehen mich schonen. Gott sei Dank, hat ein großer Konzern das Tablet erfunden. So kann ich weiter machen, weiter denken, weiter schreiben, damit ich vielleicht doch noch dahinter komme, was mich umtreibt, es greifen zu können. Nur an die Decke zu starren, ist nichts für mich und den Fernseher als Berieselungsmaschine mag ich auch gerade nicht.
In den Nachrichten berichten sie vom diesjährigen Literaturnobelpreisträger Jon Fosse, der der Stille einen Namen gibt.
Ich lese einen Beitrag von Jeannette Hagen zu dem neuen Film von Arndt Ginzel (White Angel) und denke mir dabei: Ja, und wir sitzen hier warm und weich und reden darüber, wie wir besser Werbung für unser Business machen können, oder warum der Hashtag nicht zum Logo passt. Oder warum das vergangene Oktoberfest ein guter Anlass gewesen wäre, seinen Sozial Media-Post in eine große Öffentlichkeit zu bringen. Unwichtiger Mist.
Am Sonntag sind Wahlen und alle Reden vom Rechtsruck hin zu einer Partei, die nahe zu einem Mann steht, der Bomben auf Zivilisten werfen lässt, nur um sein Territorium zu erweitern. Gerade berichtet n-tv vom Angriff auf Israel.
Und bei all den Gedanken, überlege ich, wo mein Platz ist. Ich will nicht über eine Party schreiben oder ein neues Auto mit hunderten PS. Das was ich will ist Schreiben, aber es soll einen Mehrwert haben. Ist das in meiner Position Hohn?
Es geht aber auch nicht um düstere, apokalyptische Gedanken, sondern darum, wie wir als Gemeinschaft ein Umdenken schaffen, um weg zu kommen von der Oberflächlichkeit, aber auch weg vom Zaudern. Eine gemeinschaftliche Entscheidung zu treffen, um etwas zu bewegen.
Da draußen sind Menschen, die immer wieder diese Bilder, das nicht Schöne zeigen, dass, was noch nicht gut ist, woran wir arbeiten müssen, damit es besser wird. Sie geben denen eine Stimme, die nicht den Luxus einer Couch, einer Heizung und eines gefüllten Kühlschrankes haben. Jetzt liegt es an uns. Hinweise gibt es genug.
Es war absehbar und dennoch konnte es keiner verhindern. Die Rechten bauen ihren Anteil immer mehr aus. Ein schleichender Prozess, der seit zwei Jahrzehnten zu beobachten ist, dessen Tendenz eine eindeutige Richtung hat. Dabei diskutieren wir immer wieder, was wir in Deutschland falsch machen. Ich glaube, der Gedanke greift zu kurz, denn die Tendenz ist nicht nur typisch deutsch, sondern ein europäisches Phänomen, auch wenn es hier natürlich genügend Baustellen gibt, die wir mal auflösen sollten. Mittlerweile gibt es eine Reihe Länder in Europa, die von rechten Parteien geführt werden.
Die Erklärungsversuche sind dabei logisch und nachvollziehbar. Ich möchte eine weitere Hypothese hinzufügen.
99 % unser Zeit in der Menschheitsgeschichte waren wir Jäger und Sammler und nur für ein 1 % der Zeit befinden wir uns im Zeitalter des sogenannten modernen Menschen. Schauen wir zurück, was in den letzten ca. 300 Jahren passiert ist, sind dies Entwicklungen, die in ihrer Geschwindigkeit exponentiell zu verorten sind. Es ist nicht nur eine rasante Entwicklung, sondern sie ist fast schon unkontrollierbar schnell. Es gibt extrem viele positive Dinge, die in dieser Zeit passiert sind, es gibt aber auch unglaublich viele neue Probleme, die entstanden sind. Sie aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Problem ist dabei nicht, dass es mal einen Einzelnen trifft, sondern wir sind an einem Punkt angekommen, der immer häufiger die Menschheit im großen Stile betrifft und wenn nicht diese in Gänze, dann doch einen großen Anteil oder eine Region. Was folgt ist schleichende Unruhe, die sich unterschwellig ausbreitet und dazu führt, dass konservatives Gedankengut in den Wunschbereich tritt, weil man hier annimmt, dass Stabilität gewährleistet wird. Die Anzahl der Veränderungen führt zu Ängsten.
Kann man das beobachten?
Ein Beispiel: In stabilen Phasen werden mehr Jungen, als Mädchen geboren. Zur Zeit des Mauerfalls drehte sich das Verhältnis für ein paar Jahre um. Es wurden mehr Mädchen als Jungen geboren. Naturwissenschaftlich lässt sich das folgendermaßen erklären: Will eine Population überleben, ist es wichtig eine ausreichende Zahl Frauen zu haben, da nur diese gewährleisten können, dass es genügend Nachkommen gibt. Sie sichern die Population ab, da die Männer einen nicht so großen Einfluss auf den Erhalt haben. Der Energieaufwand Nachkommen zu bekommen ist für die Frauen ungleich größer, als für die Männer. Das Phänomen trat auch bei anderen Ereignissen in der Menschheitsgeschichte immer wieder auf. Wie so ein Phänomen gesteuert wird, ist bisher unklar. Es zeigt aber, dass auf Ereignisse, wir als Menschen nach naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten reagieren.
Zwar werden wir immer wieder so dargestellt, als ob diese Phänomene nicht für uns gelten würden, aber hier irren die Kritiker. Nehmen wir als weiteres Beispiel einfach mal ein traumatisches Ereignis. Bei Menschen, die in den Konzentrationslagern der Nazis gefangen gehalten wurden, konnten Veränderungen am Erbgut nachgewiesen werden, nicht weil sie Chemikalien ausgesetzt waren, sondern weil die Ereignisse so tiefgreifend waren, dass der einzelne Organismus darauf reagierte und zwar jede einzelne Zelle! Menschengemachte Ereignisse haben direkten Einfluß auf unsere Biologie. Als Stichwort sei nur die #Epigenetik genannt und genauso ist es auch anders herum. Die Biologie ist Teil von uns und sie hat Einfluß. Und wenn sie Einfluß hat, birgt sie auch Chancen.
Was folgt daraus: Bei all den Problemen, die aktuell anstehen, scheint es immer wichtiger zu werden, die Vogelperspektive einzunehmen, um Tendenzen aus der naturwissenschaftlichen Sicht zu betrachten. Wir sind und bleiben Säugetiere, die sich über Millionen von Jahren entwickelt haben. Der heutige Mensch ist die Quintessenz dieser Entwicklung und damit greifen urtypische Verhaltensweisen, die auch schon von David K. Buss in zahlreichen Büchern zum menschlichen Verhalten beschrieben wurden. Vielleicht gibt es dabei Ansätze, die uns aus dem klein klein herausführen, denn letztlich geht es um uns.
Gestern war Kassenprüfung. Ihr wisst, wie das ist. Es gibt zwei Möglichkeiten. Der Kassenprüfer hat keine Lust und ist einem wohlgesonnen, dann ist der Spaß in 30 Minuten vorbei und wir haben viel gelacht. Aber denkt nicht drüber nach, wenn das Gegenteil der Fall ist. Es geht mir nicht darum, dass geprüft wird. Es ist Teil des Geschäfts, dafür werde ich bezahlt.
Man kann auch über das Wie und in welchem Ton sprechen. Kann man, kann man aber auch lassen.
Es geht mir darum, welcher Umfang Misstrauen mittlerweile Teil des Geschäfts und damit des Alltags ist. Grundsätzlich wird nicht das Positive gesehen, sondern nur der Betrug, der in allem schlummert. Überall scheint es nur noch Verbrecher zu geben, die es gilt zu überführen, man gehört ja zu den Guten. Deshalb ist man ja in der Position des Prüfenden.
Oder ist es ein Gefühl von Macht, die man in diesem Augenblick ausspielen kann, wenn ich jemanden überprüfen darf. Auch das wäre eine Option.
Der Mensch wünscht sich Kontinuität. Wie sagt es immer mein bester Kumpel: "Gut ist es, wenn das Leben langweilig ist." Besser keine Hast, kein Stress, keine Aufregung.
Es ist Teil unserer Geschichte, in der wir die meiste Zeit die gleichen Bedingungen vorfanden, abgesehen von täglichen kleinen Aufregern, wenn mal die Kuh abgehauen ist. Diese Zeiten sind vorbei. Die Kriege werden gefühlt täglich mehr, der nächste Flächenbrand kündigt sich im östlichen Mittelmeer an und eigentlich wollen wir doch nur jetzt im Herbst ruhig in der Wolldecke eingehüllt vor dem heimischen Kamin sitzen und einen Glühwein trinken, dabei ins Feuer schauen und uns Geschichten erzählen, wenn es draußen stürmt und regnet.
Die Realität ist aber, dass die Wolldecke brennt.
Mitte Oktober. Hinter meinem Gartenzaun steht noch der Mais. Zwei Meter hoch ist diese Wand, die im Wind hin und her rauscht. Ich bin dreißig Zentimeter kleiner, also schaue ich dagegen, nicht darüber. Ich müsste mich bewegen, springen, um darüber zu schauen. Warum? Dort steht er nun seit Monaten. Mein Horizont endet drei Meter hinter dem Zaun. Hören ja, sehen nein. Die Geräusche und Töne in den vergangenen Monaten, meistens nachts, die aus ihm kamen, kann ich nur zum Teil zuordnen. Der Rest bleibt Fantasie. Bunte Bilder in meinem Kopf. Heute brummt es dort. Die Hunde werden nervös. Sie sind nur dreißig Zentimeter hoch. Für sie ist die Wand, deren oberes Ende ich sehen kann, das Plateau. Unerreichbare Tepuis in Ostfriesland.
Schwere Maschinen ernten. Maissilage für die Kühe, die hier überall auf den Wiesen teilnahmslos stehen. Aus zwei Metern Höhe werden zwanzig Zentimeter Stoppeln. Die Ebene, die mir Monate lang verstellt war, nun sichtbar. Die Hunde sind verblüfft, denn sie sind zehn Zentimeter höher als die Stoppeln, die als abgeschnittene Beine aus dem Feld ragen. Maislinien nebeneinander, wie mit dem Lineal gezogen.
Der Bauer hat ordentlich geliefert. Reihe für Reihe hat er die Maiskörner in den Boden gebracht. Eine militärische Ordnung in der Ebene. Sie stehen stramm, wachsen gerade, werden versorgt, schießen im Laufe des Jahres hoch. Sie trotzen den Stürmen, die versuchen sie zu brechen, wehren sich gegen Hagelbeschuss, der die Blätter durchschlägt, einzelne Kolben abreisst. Sie stehen gegen den Befall von Parasiten zusammen, die Wildschweine im Feld entnehmen nur wenige von ihnen. Die Armee der grünen Riesen bleibt erhalten, fällt nicht.
Doch dann kommt eine Macht und ist stärker, zerfetzt sie zu einer undefinierbaren Masse und schafft sie fort, bedeckt sie mit einer Plane.
Übrig bleiben die abgeschnittenen Beine, zwischen denen die hungrigen Vögel nach Resten suchen. Überbleibsel einer großen, viele tausendköpfigen Armee der grünen Riesen.
Mittagszeit, gleich ist Hochwasser. Ich war eine Woche nicht raus und will ans Wasser, Meeresluft riechen, Wasser sehen. Mein Seelenelixiere. Vor mir hundert Meter Wiese, vorgelagert vor dem Deich, dann kommt das Meer. Auf der Wiese, wie hier üblich, Kühe, zwei Hasen und Vögel. Viele Vögel. Auf dem Deich stehen Schafe mit Locken. Der Wind ist stramm, noch nicht der Blanke Hans, aber sicherlich ein Neffe von ihm. Ein paar Bauern haben wohl den Wetterbericht verfolgt und versuchen ihre Kühe von der Weide zu treiben. Das Wasser läuft auf und hat schon das Ufer überspült. Langsam dringt es über die Vertiefungen in die Wiese ein.
Die Kühe sind, bis auf eine, folgsam. Sie laufen gemächlich zum Deich, damit er sie auf die andere Seite bringen kann. Nur eben diese eine nicht.
Das Wasser überflutet erstaunlich schnell die Wiese. Keine fünfzehn Minuten später steht alles unter Wasser und das auf einer Fläche von vielen Fußballfeldern.
Entweder ist sie in Panik oder doch näher mit den Robben verwandt, als alle denken, zumindest wählt sie den direkten Weg ins Wasser. Panisch erscheint sie mir von meinem Aussichtspunkt auf der Deichkrone nicht, eher lustlos auf die Deichüberquerung. Der Bauer, erst einer, dann zwei, dann drei, versuchen sie zu überreden, sich den anderen anzuschließen. Sie will nicht, läuft weiter ins Wasser hinein. Die Bauern hinterher.
Das Wasser steigt und kitzelt mittlerweile die Kuh am Bauch. Den Bauern reicht das Wasser bis zur Hüfte. Die Gummistiefel werden zu Aquarien. Jetzt setzt Regen und Hagel ein, die Kuh will schwimmen. Die Bauern nicht. Zwei von ihnen treiben die Herde über den Deich in Sicherheit. Einer versucht sich noch an der einzelnen Kuh, die immer noch keine Lust hat.
Ich fotografiere die skurrile Szenerie, die etwas vom Doktor und dem lieben Vieh hat, als er plötzlich hinter mir steht und mir energisch zuruft, ich solle die Bilder löschen. Wir beginnen ein Gespräch, in dem ich erfahre, dass die Bevölkerung diese Bilder nicht sehen will. Ich beschwichtige, weil es ja nicht seine Schuld sei, wenn sie nicht will. Ich hatte ja alles beobachtet. Langsam beruhigt er sich, sieht, dass ich ihm nichts will. Er ist fix und fertig, zerzauste Haare, triefend nasser Blaumann, ausgekühlt, besorgt, gestresst. Er versucht ja alles, aber wenn das Vieh nicht will, dann will es nicht. Störrisches Tier.
Er läuft den Deich wieder runter, zerschneidet alle paar Meter den Zaun, damit die Kuh doch noch auf den Deich laufen kann. Den muss er nachher auch noch wieder flicken, sonst kann er die Weide nicht nutzen.
Nicht alle Landwirte sind Industriemagnaten. Für viele ist es wichtig jede einzelne Kuh zu umsorgen, damit sie zusammen den Betrieb erhalten können. Vielleicht ist er ganz froh, dass die Kuh nur hinter dem Deich geflüchtet ist und nicht dort, wo ihn alle sehen können. Er konnte nichts dafür, aber das wollen die Meisten nicht sehen und nicht hören. Die Bauern sind meistens die Dummen.
Die Kuh wollte auch später nicht, vielleicht schmeckt ihre Milch ein wenig salzig, vielleicht fand sie es auch lustig heute die Trainingsleitung ihres Bauern übernommen zu haben. Für sie war es nur die verkehrte Welt oder die nasse Rache dafür, immer auf dieser Wiese zu stehen.
Guten Tag, ich heiße Danlyo. Ich wohne in Fastiw, ein bisschen näher bei euch als Kiew. Meine Eltern und ich leben in der Ivana Stupaka Straße, dort wo die hohen Häuser stehen. Mein Vater hat da eine Garage, in dem mein altes Kinderbettchen steht, als ich noch kleiner war. Jetzt brauche ich es nicht mehr, ich bin ja schon groß. Nächste Woche werde ich zehn. Seine Autoreifen hat er dort auch hingelegt und viele andere Sachen, die wir nicht mehr brauchen. In der Garage steht auch ein kleiner Schrank. Dafür hat er einen Schlüssel, den er an einer Kette um den Hals trägt. Mama darf da auch nicht dran.
Ich erzähle euch das, weil ich da gerade mit Papa bin. Er hat heute seine grünen Sachen angezogen, die er auch zum Angeln anzieht. Er sagt, dass man sich tarnen muss, damit die Fische einen nicht sehen. Ich glaube er schwindelt, denn Fische gucken doch nur unter Wasser. Seine Angelsachen will er aber heute nicht, sondern seinen Rucksack und viel Zeug, was er da reinpackt. Mit Mama hat er sich gestritten. Die hat dann geweint und ist nicht mit zur Garage gekommen. Ich hatte ein bisschen Angst, als die sich gestritten haben. Ich habe dann meine Puppe mitgenommen, Tilli, die mit den roten Haaren. Die kann auch Musik machen. Die halte ich immer fest, wenn ich Angst habe. Die ist so weich und lächelt.
Jetzt stehen Papa und ich in der Garage und Papa zieht seinen Schlüssel über den Kopf. Er will an den Schrank. Ich bin schon ganz gespannt, was da wohl drin ist. Er öffnet die Türe und ach schade. Da ist nur Papier drin, ein paar Dosen und hinten in der Ecke, oben rechts, ein Messer. Das will er haben. Er schließt die Türe und hängt sich den Schlüssel wieder um den Hals. Dann gibt er mir das Messer, damit ich mir das ansehen kann. Es ist groß und schwer in einer ledernen Scheide. Das hätte ich auch gerne. Vielleicht bekomme ich das ja später mal, sagt er.
Das sei sein Glücksbringer. Jetzt verstehe ich auch, warum wir immer nur kleine Fische fangen. Das Messer sehe ich nämlich heute das erste Mal.
Wir gehen zurück zu Mama, die immer noch weint. Die beiden sagen nichts, schauen sich nur an und auch bei Papa fällt eine Träne auf seine grüne Jacke. Dann schaut er mich an, streichelt mir mit seinen großen, rauen Händen über den Kopf und geht. Als die Türe zu ist, weint Mama noch mehr.
Später kommen noch meine Großeltern und wir essen was zusammen, aber lustig wurde es nicht mehr. Mama hatte keinen Hunger. Morgen ist Schule.
Papa ist nicht wieder gekommen. Mama hat mal Post bekommen und ist ohnmächtig geworden. Oma und Opa sind dann ein paar Tage geblieben.
Ich glaube, ich lege Tilli auch bald in die Garage. Es ist manchmal besser sich auch über kleine Fische zu freuen. Ich vermisse ihn.
Auf meiner täglichen Lektüre auf den Plattformen, als Zeitungsersatz, gehört am Sonntag auch die Kolumne von KT zu Guttenberg dazu. Ich mag seinen Schreibstil. Man kann ja zu ihm stehen, wie man will, aber er beobachtet seine Umgebung. Die Kleinigkeiten am Wegesrand. Das was mich interessiert, das Detail.
Heute geht es um Unvoreingenommenheit. Ein sperriges Wort.
Die Medien bieten es uns frei Haus. Wollen wir Jemanden treffen, den wir noch nicht kennen, Googlen wir kurz, sammeln ein paar digitale Eindrücke und gehen mit diesen in das Gespräch. Wir werden hellhörig, wenn wir im Netz nichts finden. Das ist schon ein erster negativer Eindruck, obwohl wir gar nichts gefunden haben. Dem Gegenüber müssten wir doch vorurteilsfrei entgegentreten können, denn wir haben ja gar keine Informationen. Aber nein, keine Infos im Netz, holla die Waldfee, was wird das für ein Zeitgenosse sein.
Dabei beziehen wir uns bei der Recherche auf Informationen anderer, die wir gegenprüfen müssten. Tun wir das? Nein, normalerweise nicht. Das heißt aber, dass wir geführt in das Gespräch gehen und die gewonnenen Informationen erst einmal mit dem abgleichen müssen, was wir selber wahrnehmen.
Ist das fair?
Und die zweite Frage: Verschwenden wir nicht unnötig Zeit? Ich will mir doch selber einen Eindruck verschaffen.
Und die dritte Frage: Positionieren wir unseren Gesprächspartner damit nicht schon auf eine imaginäre Anklagebank?
Die Kultur des Misstrauens führt dazu, dass wir uns immer und überall absichern wollen. Es kann ja auch der Lump sein, auf den wir treffen. Ich muss mich absichern, um gewappnet zu sein. Ja, möglich, kann aber auch ein netter Zeitgenosse sein. Ich würde behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es kein Lump ist, höher ist.
„Der Tag ist angefüllt mit dies und das. Eher, ich habe ihn gefüttert, versucht alles hineinzupacken, Arbeit, Aufgaben, Gespräche und Termine, damit die Gedanken auf dem Weg bleiben, nicht nach rechts oder links ausbrechen. Ich muss sie zügeln, sie eng führen, will ich nicht in die Löcher am Wegesrand stürzen. Es ist der Weg über eine schmale Deichkrone. Eine falscher Tritt und aus dem Gang wird ein Straucheln. Und ein Straucheln geht immer nur bergab.
Der Weg ist mühsam, er kostet unendlich viel Kraft. Ich denke geradeaus, damit ich nicht in Schleifen denken muss. Diese Art von Gedanken, die zu nichts führen, als zur Wiederholung der Wiederholung, an die man sich aber heftet, um nichts zu vergessen. Ist es hell, habe ich eine Chance, den Weg zu gehen, weil ich ihn sehen kann. Wird es dunkel, beginnt der eigentliche Kampf, dabei habe ich schon den ganzen Tag gekämpft. Es sieht keiner. Das Display auf meiner Stirn ist ausgeschaltet. Ich laufe den täglichen Marathon, um Abends in ein Endspiel einzusteigen.
Dann, wenn es abends still wird, beginnen die Schreie in meinem Kopf. Die Stille brüllt, setzt mir zu, stößt mich dahin und dorthin. Prügelt auf mich ein, bis ich grün und blau am Boden liege, bis jemand nur scheinbar gütig ist und mich durch den Schlaf erlöst, in dem mich dann die Träume jagen, damit ich nicht zur Ruhe komme. Nur, um dann am nächsten Morgen völlig erschöpft, mein Tagewerk zu starten, das wieder der Marathon ist, dieser unbarmherzige Lauf, der mich zum abendlichen Endspiel führt. Tagein und tagaus.“
Bilder aus dem Leben eines Trauernden. Sie brauchen kein Mitleid, kein Klopfen auf die Schulter. Das was sie brauchen ist die Servicestation unterwegs, die Energiedrinks und Schokoriegel bereithält, die die Massage anbietet, damit sie weiter laufen können, denn der Marathon ist ihr Lauf, den ihnen keiner abnehmen kann. Auch nicht das abendliche Endspiel, das sie selber spielen müssen. Sie brauchen zuweilen den Coach, der sie auf der Bahn hält, der ihnen taktische Anweisungen geben kann, damit sie den Wettkampf mit sich gewinnen können. Aber der Coach steht immer nur an der Außenlinie, nimmt am Spiel nicht teil.
Gemütlicher Ledersessel am Schreibtisch mit dem Blick nach draußen. Die Heizung knackt, Wärme verteilt sich im Raum. Unter dem Schreibtisch die Hunde, leise schnarchend. Der Kaffee produziert lichte Dampfschwaden, die sich vor dem Fenster auflösen. Weiden mit schwarzen Pferden auf der anderen Seite des Straßendeiches. Die große Kastanie wird langsam braun. Sie verliert ihre Blätter, die Krone bereits ausgedünnt. Lichte Stellen fressen sich nach unten, nähern sich dem Stamm. Bald werden nur die kahlen Äste die Form des Baumes wiedergeben.
Die Wiesen blütenfrei grün, die Insekten vielfach schon im Pausenmodus. Sie kommen im nächsten Jahr wieder. Warten auf den Frost, der die letzten Blätter auf den Bäumen erntet, die dann den Boden zudecken. Dann wird die Landschaft grau. Der Nebel verschluckt die Farben, die Sonne tarnt sich hinter Wasserdampf, ihre Wärme erreicht uns nicht mehr. Sie wärmt jetzt andere Länder.
Das Verschwinden der Farben ist kein Mangel, sondern die Konzentration auf das Wesentliche. Der Mensch zieht sich zurück. Die Farben des Sonnenuntergangs sammeln sich im Kaminfeuer, vor dem wir abends sitzen. Die Wärme ist die Gleiche, aber komprimiert auf eine kleine Brennkammer.
Wir folgen der Wärme, raus aus dem Außen, rein ins Innen. Wir sind wie der Igel, der sich zurückzieht in seinen Bau.
Draußen wird es dunkler, stiller, mystischer. Die Zeit der Fotografie beginnt, dann wenn das Leben sich zurückzieht und die Bilder die Stille und Einsamkeit wiedergeben.
Vor dem Fenster fällt im Herbstwind ein gelbes Blatt auf dem Boden und deckt eine Schnecke zu.
Ein Satz, leider nicht von mir. Schön wäre es gewesen. Wir hasten, gefühlt immer schneller. Nicht jeder teilt das Tempo. Mancher bleibt sitzen und meditiert, damit die Seele nachkommt. Andere gehen zurück, verweigern sich dem Tempo, dass jeden Tag gefühlt zunimmt. Wieder andere feiern die Langeweile, dann wenn nichts passiert, während um sie herum, alles nur noch rennt.
Wir leben parallel voneinander entfernt. Die einen gehen nach vorne, die anderen zurück, weil es sie verunsichert, das Gefühl nicht mithalten kann. Sie brauchen das Zurück, um sich der Zukunft stellen zu können. Es ist das Gummiseil, was mich zieht, loslässt und wieder zieht. Es ist der Bungeesprung. Ich stürze mich aus der Höhe hinab in das Flusstal, tauche kurz ein, um sofort vom Seil wieder hochgezogen zu werden, nur um kurze Zeit später erneut hineinzustürzen. Immer wieder, bis ich ganz unten bin. Ein hin und her, um anzukommen.
Andere gehen mutig, kümmern sich nicht um das Zurück.
Der Fortschritt, ob gesellschaftlich oder technisch, geht ohne Schulterblick mit Scheuklappen ausgestattet nach vorne. Der Extreme kann ihm folgen, der Vorsichtige, Schüchterne, Normale schwankt zwischen Schulterblick und dem Blick vor die Füße, um nicht zu stolpern.
Geht alles gut, mag dieser Weg funktionieren. Tritt die Krise ein, suche ich den Halt, die Erfahrung, aus der ich schöpfen kann. Dann wendet sich der Blick nach Hinten, denn Erfahrungen liegen nur in der Vergangenheit. Der Radikale hat diesen Blick nicht, muss die Erfahrung immer wieder neu machen und damit den vermeidbaren Fehler.
Was bleibt ist der Zukunftsorientierte mit dem hohen Tempo, der nach vorne prescht, der fehleranfällig ist und der vermeintlich Langsamere, bedachte, der versucht Fehler zu vermeiden. Wer entwickelt sich schneller?! Oder sind wir am Ende gleich schnell und damit doch wieder im gleichen Jetzt?
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